16. Mai 2013

Fußball in Wien

Wo ist der Wiener Fußball daheim?

Eine klare Antwort auf diese Frage führt zwangsweise zu einem Disput, nach ein paar Seiderln und Krügerln eventuell auch zu gebrochenen Nasen und Rippen. Halten wir uns daher an die Fakten: Der Wiener Fußball wurde am 22. August 1894 im Gasthaus „Zur schönen Aussicht“ geboren, als Hebammen fungierten Baron Nathaniel Rothschild und Generaldirektor Schuster vom Bankhaus Rothschild. Der „First Vienna Footballclub“ erhielt die Farben des Hauses Rothschild – Gelb und Blau – als Clubfarben und das bis heute gültige Clubabzeichen, einen von drei Beinen umrahmten Fußball. Der Wiener Fußball wuchs in Döbling auf und der Autor dieses Buches ist der zweifellosen Meinung, dass er ebendort noch immer daheim ist: auf der Hohen Warte – im angeblich größten Naturstadion Europas. Dieser Superlativ stützt sich aber vorrangig auf ein Ländermatch im Jahr 1923, bei dem Österreich vor 85.000 Zusehern gegen Italien spielte. Zwei Tage nach der Vienna meldete der im Prater angesiedelte „First Vienna Cricket And Football Club“ seine Vereinsgründung an und musste daher das Wort „first“ wieder streichen. Die Revanche war das 4:0 gegen die Vienna beim ersten Fußballspiel in Wien am 15. November 1894.

Absurderweise meinen manche, dass andere Wiener Vereine bedeutender seien als die Vienna. Nun ja, die Liebe zum Verein macht eben blind, steht sie doch so oder so diametral zur ballestrischen Realität des Weltrestes. 1899 wurde Rapid gegründet, 1911 die Austria. Bereits ab 1897 fanden Bewerbsspiele statt, 1900 wurde die österreichische Fußballunion gegründet, danach gab es unter den Vereinen allerdings viele Streitereien. 1911 formierte sich eine bleibende Liga, die stetig an Bedeutung gewann, bis sich der Fußball ab 1920 endlich auch außerhalb von Wien etablierte. In Wien gab es die ersten Stars, weshalb 1924 hier die erste Profiliga außerhalb der britischen Inseln gegründet wurde. In den Folgejahren erlebte der Wiener (und damit noch immer österreichische) Fußball die beste Zeit: Das Wunderteam spielte in der Weltspitze, die Wiener Vereine gehörten ständig zu den Favoriten im gegründeten Mitropacup: Rapid gewann ihn zweimal, die Austria und Vienna je einmal, 1931 standen sogar zwei Wiener im Finale (Wiener AC vs. Vienna).

Während der Nazizeit spielten Österreichs Vereine in der Reichsmeisterschaft mit, wobei neben zwei Finalteilnahmen (1939 Admira 0:9, 1942 Vienna 0:2, beide gegen Schalke) Rapid 1941 deutscher Meister wurde (4:3, ebenfalls gegen Schalke).

Ab 1949 konnten endlich Clubs aus ganz Österreich um den Titel mitspielen. Es dauerte trotzdem bis 1965, bis der erste Nicht-Wiener Verein österreichischer Meister wurde (LASK). 1978 erreichte die Austria, 1985 und 1996 Rapid ein Europacupfinale. Insgesamt haben 77 der bisherigen 101 Meistertitel in Österreichs oberster Spielklasse Wiener Vereine gewonnen – allerdings bis 1949 eben ohne Konkurrenz aus den anderen Bundesländern: 32 davon Rapid, 23 die Austria, 9 die Admira (die 1905 im Wiener Grätzl Jedlesee gegründet wurde und seit 1967 am Stadtrand in der Südstadt spielt, also als Wiener Verein gezählt werden kann), 6 die Vienna, 3 der Sportklub, je einen WAC, WAF, Hakoah und FAC. In der „ewigen Tabelle“ liegen fünf Wiener vorne: Rapid (3920 Punkte), Austria (3649), Admira (2349), Sportklub (1902), Vienna (1791).
Das Spiel mit der höchsten Differenz in Wien gewann am 11. November 1945 die Vienna gegen Ostbahn XI (18:0), was der zweithöchste Sieg in Österreichs Topliga-Geschichte ist (1941 gewann die Austria gegen den LASK 21:0). Ohne Niederlage während der ganzen Saison wurden nur Rapid (1913 und 1935) und der Sportklub (1959) Meister. Am längsten ungeschlagen blieben der Sportklub von Dezember 1957 bis September 1959 (41 Bundesligaspiele) und die Vienna (die auf der Hohen Warte von Dezember 1954 bis November 1957 kein einziges von 41 Spielen verlor).


„Darf’s a bisserl mehr sein?“

Weitere Fragen zu Wien und deren interessante Antworten findest du in Wann verlor das Riesenrad seine Waggons? von Axel N. Halbhuber erschienen im Metroverlag. 

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