Von der blühenden Innenstadt in die bunten Praterwiesen

Wer vom Frühlingsputz genug hat, tue es den Vögeln gleich und fliege für ein paar sonnige Stunden aus dem häuslichen Nest. Denn überall in Wien erwacht die Natur in den prächtigsten Farben. Es lässt sich wunderbar zwischen Kirschblüten, Primeln und Veilchen von den Parks des 1. Bezirks in den Prater wandern. Und dabei den zur beliebtesten Innenstadtspaziermeile der Wiener*innen aufgestiegenen Donaukanal passieren. Musik, Dichtung und Malerei begleiten uns dabei.

Wo die Kirschen blühen – vom Stadtpark zum Volksgarten

Nirgendwo wird die (Zier)Kirschblüte so sehr verehrt wie in Japan, wo sie, Sakura heißend, seit langer Zeit als Symbol für weibliche Schönheit in Dichtung und Malerei zelebriert wird. Im Wiener Stadtpark neben der Stubenbrücke gegenüber des MAK, wo sich eine beachtliche Asiatika-Sammlung befindet, fühlen wir uns für Augenblicke in ein Mini-Japan versetzt. Vier dicht aneinander gedrängte Kirschbäume bilden plötzlich auch mitten in Wien eine Art Kultobjekt. Darunter und rundherum fotografieren die Spazierenden wie verrückt. Ist der eine mit dem Teleobjektiv nur an den Blüten interessiert, so wollen die anderen einander in ihrer jugendlichen Schönheit inmitten des rosa Kirschzaubers festhalten. Da kommt auch schon eine alte japanische Dame, vornehm gewandet, mit gebeugtem Rücken, gestützt auf einen Stock und eine junge Frau, vielleicht ihre Enkelin. Lange steht sie staunend träumend vor der Blütenpracht, bis plötzlich ein Windstoß sie in wahre Blütenseligkeit taucht. Wer möchte da nicht gern die junge Frau an ihrer Seite sein, die vielleicht in den Erinnerungsfluss der alten Frau mit eintauchen darf. Mehr schwebend als gehend begeben wir uns nun in einen anderen Park der Innenstadt, der vor allem für seine mehr als 3000 Rosensträucher berühmt ist, die jetzt frisch ausgepackt Frühlingssonne tanken.

Stadtpark (c) STADTBEKANNT
Stadtpark (c) STADTBEKANNT

Verrückt nach Veilchen – vom zuckersüßen Blümchen zum derbem Veilchen-Schwank

Versteckt im hintersten Eck des in den 1820ern für das Volk errichteten Volksgartens sitzt in Stein die Kaiserin wider Willen flankiert von ihren geliebten irischen Jagdhunden. Sie, die das Wiener Hofleben verabscheute, liebte doch, was in der k.u.k. Hofzuckerbäckerei Demel aus Veilchen fabriziert wurde. Veilchensorbet und kandierte Veilchen beispielsweise, die auch heute noch im Demel und in anderen kleinen Süßwarenläden in der Innenstadt zu erwerben sind. Die immer wieder thematisierten Essgewohnheiten von Sisi haben wahrscheinlich zu ihren schlechten Zähnen geführt. Wir wenden uns also lieber wieder dem Veilchen als Frühlingsboten zu: als solcher wird es im Lied „Sehnsucht nach dem Frühling“ von Chr. Ad. Overbeck besungen. Niemand geringerer als Mozart verlieh wenige Monate vor seinem frühen Tod diesem Text eine frühlingshaft vergnügte Melodie. Die Bitte, doch Veilchen zu bringen, wird darin an den Monat Mai gerichtet. In Zeiten des Klimawandels schießen die Veilchen allerdings schon ab März aus dem Boden.

Sisi Volksgarten (c) STADTBEKANNT
Sisi Volksgarten (c) STADTBEKANNT

Mit diesem fröhlichen Frühlingslied im Kopf lassen wir die Hofburg samt passioniertem Gärtner Franz II/I, Kaiser von Beruf, der im Inneren Burghof umgeben von seinen vier Tugenden steht und die Hofzuckerbäckerei hinter uns und steuern auf das Haus Tuchlauben 19 zu. Dort ließ der Lauben- und Ratsherr Michael Menschein um 1400 einen Fest- und Tanzsaal errichten und darin Wandmalereien anbringen, die in den 1970er Jahren im Zuge von Renovierungsarbeiten wieder freigelegt wurden. Die sich heute im Besitz des Wien Museums befindlichen ältesten profanen Wandmalereien in Wien gehen auf die Dichtungen des Neidhart von Reuental zurück und wurden von einem späteren Neidhart wieder in Umlauf gebracht. Herausragend ist dabei der sogenannte „Veilchenschwank“, der auch von gesellschaftspolitischem Interesse ist. Kommt darin doch die Animosität zwischen den verschiedenen Gesellschaftsschichten zum Ausdruck. Der Ritter Neidhart entdeckt das erste Veilchen des Frühlings, deckt es mit einem Hut zu, um es später der Erzherzogin zu zeigen. In der Zwischenzeit haben die Bauern das Veilchen ausgerissen und stattdessen einen Kothaufen unter dem Hut platziert. Nur soviel: der Ritter rächt sich brutal an den Bauern.

Frühling im Prater – Gemalte Natur zwischen Friedensreich Hundertwasser und Tina Blau

Unser Frühlingspfad führt uns entlang des Donaukanals, auf dessen Leopoldstädterseite Friedensreich Hundertwasser Regentag Dunkelbunt, damals noch Friedrich Stowasser als Kind mit seiner Mutter die Kriegszeit überlebte. Früh entdeckte er seine Malleidenschaft. Die Natur hat es ihm dabei von frühester Stunde angetan, die Kraft ihrer Farben, die geschwungene Linie, die er später der „gottlosen“ geraden Linie entgegensetzte. Den Donaukanal malte er immer wieder. Die Namensänderung von Friedrich zu Friedensreich bahnte sich übrigens während eines Japanaufenthalts an. Vieles hat der frühe Umweltschützer und Visionär am Weg bis zum Kunsthaus Wien in unverwechselbar bunter Weise gestaltet. So die Anlagestelle für das vom ihm gestaltete Schiff MS Vindobona, wo wir den Kanal über die Rotundenbrücke queren und uns bald darauf im grünen Prater befinden.

Prater Sportplatz (c) STADTBEKANNT
Prater (c) STADTBEKANNT

Quer über die Jesuitenwiese, die ab dem Frühling stets zur Festwiese erwacht, auf der unter anderem auch (seil)getanzt wird, geht es Richtung Meiereistraße. Dort stehen wir vor den eindrucksvollen Praterateliers, Bildhauerateliers, die 1873 im Zuge der Weltausstellung von Carl Hasenauer als Ausstellungspavillons errichtet wurden. Heute vergibt der Bund die Ateliers, die Liste bekannter Bildhauer, die darin schon arbeiteten, ist lang. Nur wenige Frauen kamen in den Genuss dieser in Europa ob ihr Lage und Architektur als einzigartig geltenden Künstlerateliers. Umso mehr beeindruckt es aus heutiger Sicht, dass sich, nachdem der Kaiser die Pavillions 1875 für die Kunst frei gab die Malerin Tina Blau dort ein Atelier mit dem berühmten Stimmungsimpressionisten Jakob Emil Schindler, dem Vater von Alma Mahler, teilte und nach seinem Auszug (befreit aufatmend) alleine dort weiter werkte.

Tina Blau – Atelier 1907 / gemeinfrei
Tina Blau – Atelier 1907 / gemeinfrei

Am liebsten war sie aber bis ins hohe Alter mit Leiterwagen und Staffelei quer durch den Prater unterwegs, um diesen in allen Jahreszeiten im Stile der eben erst aus Frankreich nach Wien gekommenen „en plein air“- Malerei zu malen.
Für ihr wohl berühmtestes Bild „Frühling im Prater“, im Oberen Belvedere zu sehen, erhielt sie damals in Paris als erste ausländische Künstlerin einen Preis. Wenn wir darin ein wenig die kräftigen Frühlingsfarben vermissen, so liegt das am Wesen des österreichischen Stimmungsimpressionismus, in dem stets warme Erdtöne dominierten.

Tina Blau - Frühling im Prater - Österreichische Galerie Belvedere / gemeinfrei
Tina Blau – Frühling im Prater – Österreichische Galerie Belvedere / gemeinfrei

Im Prater blühen wieder die Bäume …

Den Peter Alexander – Schlager aus den 1950ern im Kopf wandern wir ein kleines Stück zurück zur viereinhalb Kilometer langen Prater Hauptallee, die von rund 2500 Kastanienbäumen flankiert wird.
Dabei ist vor allem die Gewöhnliche Rosskastanie gemeint, die mit den Osmanen nach Mitteleuropa kam und seit dem 18. Jahrhundert hierzulande als Alleenbaum beliebt ist. Immer wieder von der Miniermotte geplagt entfaltet sie im Mai ihre volle betörend duftende Blüte.
Ab 1886 fand jedes Jahr im Rahmen eines Frühlingsfestes ein Blumenkorso entlang der Prater Hauptallee statt. Die Enkelin des berühmt berüchtigten Staatskanzlers Metternich, Pauline Metternich hatte diesen initiert und organisierte ihn viele Jahre lang. Fuhren anfangs mit Blumen geschmückte Pferdewägen flankiert von ebenso geschmückten PassantInnen, so gab es später Radfahrer- und Automobilkorsos. 2016 ließ man zum 250jährigen Jubiläum des Praters die Tradition in Form eines Oldtimerkorsos noch einmal aufleben. Wem es diesen Frühling auf der Allee zu belebt ist, suche sich ein ruhiges Plätzchen auf einer der vielen grünen Plätzchen, vielleicht am Heustadlwasser, wo einst das Bild „Frühling im Prater“ entstand.

 

Elke Papp

Die Stadtverführerin freut sich darauf, mit euch quer durch das blühende Wien zu spazieren, sobald es wieder erlaubt ist! Schreibt an mail@stadtverführerin.at, um zu erfahren, wann es wieder losgeht! Wenn ihr euch für Umwelt- und Klimaschutztouren interessiert, dann sind die Touren von Austria Guides For Future www.austriaguidesforfuture.at für euch das Richtige! Die Stadtverführerin ist im Team dabei!

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