4. März 2015

Frühling – WO BIST DU?

Wenn die Suche nach der Sonne kein Ende nimmt

In der Tradition des Wiener Suderns erzählt eine (halberfrorene) STADTBEKANNT Redakteurin aus ihrem ganz vom rauen Klima geprägtem Alltag.

 

Der Wintermantel des Grauens

Seit Dezember beginnt für mich jeder Tag mit folgendem Ritual: Ich stehe auf, richte mir mein Frühstück her, drehe den Computer auf und tippe folgende Adresse ein: www.zamg.ac.at. Da mein Gemüt in der Früh sowieso von Natur aus etwas getrübt ist, bricht mit dieser simplen Handlung Morgen für Morgen eine gnadenlose Winterdepression herein: So oft ich auch auf Aktualisieren klicke, es will einfach nicht Frühling werden.

Emotional äußerst instabil verlasse ich dann die Wohnung, eingewickelt in unzähligen Schichten, allen voran mein mittlerweile vollkommen lädierter Wintermantel. Allein der Anblick des Mantels treiben mir die Tränen in die Augen und löst mittlerweile so etwas wie Brechreiz bei mir aus. Das könnte aber auch daran liegen, dass er nach monatelangem Tragen geruchsmäßig zwischen China-Restaurant und Aschenbecher angesiedelt ist, vielleicht ist deswegen in der Ubahn immer so viel Platz um mich herum.

 

Belästigung am Arbeitsplatz

Wie eine wandelnde Zigarette erreiche ich dann das Büro, in der linken Hand mein Handy, in der rechten der Kaffee, die Finger sind mir auf der kurzen Strecke zwischen Ubahn und Arbeit eingefroren. Auf der Suche nach Kollegen durchquere ich die Räume, ich brauche unbedingt jemanden zum Sudern. Nach dem üblichen (Mono-)Dialog über die Unbarmherzigkeit des Wiener Klimas begebe ich mich märtyrerhaft auf den Balkon, um meinem Mantel eine frische Brise Zigarettenrauch zu bescheren. Das verschafft mir natürlich die Möglichkeit, mit von Kälte rot eingefärbter Nase dem nächsten Kollegen meine Abneigung gegenüber Wind und Wetter preiszugeben. Von Leidensgenossen erhalte ich mitleidiges Nicken, von kälteresistenten Kollegen genervtes Schweigen. Am Computer geht es dann direkt auf die Malediven, zur Selbstgeißelung ein paar Fotos ansehen schadet nie. Um meine Kollegen nicht weiter zu belästigen, erzähle ich ganz Facebook von meinem Leiden. Der Status „Sonne“ meiner Kollegin bringt dann doch mehr Likes ein, und somit fühle ich mich unverstanden und vom Leben bestraft.


Das Solarium, die letzte Hoffnung?

Voll bepackt und physisch durch Mantel, Haube, Schal und Handschuhe etwas eingeschränkt verlasse ich die Arbeit, die Sonne geht langsam unter. Die nächste Verstimmung bricht über mich herein, Sonne, bitte verlass mich nicht! Aber gnadenlos geht sie unter, die Temperatur sinkt weiter, und zwischen Menschenmassen in der Ubahn fürchte ich mich vor meinem Spaziergang von Ubahn-Station zur Wohnung. Inspiriert von einer Gruppe gut-gebräunter Jugendlicher kommt mir der Gedanke, ein bisschen künstliche Sonne zu tanken. Warum denn nicht, so dick eingepackt erkennt mich hoffentlich niemand. Also lege ich einen Zwischenstopp im „Quick Sun“ ein, Fast-Food für meine Seele. 15 Minuten auf der Sonnenbank sollen mein Gemüt erhellen, kurz scheint es auch zu wirken. Fast schon optimistisch begebe ich mich auf den Heimweg. Ha, kaltes Wien, du kannst mir nichts, ich habe ein Gegenmittel gefunden! Am nächsten Morgen kommt dann zur üblichen Verzweiflung über 16 Grad in meinen vier Wänden noch ein ordentlicher Solibrand dazu, das war‘s dann wohl auch nicht.

 

Frühling, WO BIST DU?

Auch nach 22 Jahren habe ich mich an die Wiener Wetterverältnisse noch immer nicht gewöhnt. Dabei ist es doch jedes Jahr das selbe: Monatelanges Wintergrauen, Schnee, Eis, Wind, raue Hände und Dauerverkühlung. Wenn es dann eigentlich langsam aber doch aufwärts gehen sollte, freuen wir uns naiv über ein paar traumhafte Tage, die Hoffnung auf Besserung wird geweckt. Darauf folgt die übliche grausame Erkenntnis, dass der Frühling und ganz besonders der Sommer noch in weiter Ferne liegen, wenn die Temperaturen dann doch wieder unter Null fallen. Überraschenderweise bin ich jedes mal aufs neue enttäuscht, wenn das passiert – ich lerne es wohl nie. Somit hier mein Appell an den ungnädigen Wettergott: Lass es endlich Frühling sein, ich bin nicht mehr tragbar für diese Gesellschaft!

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