2. April 2014

Es fährt ein Zug nach Nirgendwo

U-Bahn Abgang (c) STADTBEKANNT

Die Wiener SP hat den Mythos U5 wieder ausgegraben. Der Baustart der bisherigen „Geisterlinie“ soll vor 2020 erfolgen.

Mit süßen achtzehn Jahren bin ich aus der Provinz nach Wien gezogen. Die erste Zeit war richtig wild. Wir fuhren das ganze U-Bahnnetz ab, um die informellen Durchsagen bezüglich der jeweiligen Umsteigmöglichkeiten jeder Haltestation auswendig zu lernen. Diese Durchsagen wurden, damals noch live, von Chris Lohner gesprochen, was uns Waldbauernbuben mächtig entzückte, da wir sie aus Kottans Fernseher kannten. In diesen frühen Tagen als Subwaysurfer kam rasch die Frage nach der arithmetischen Heterogenität des Wiener U-Bahnnetzes auf. Ich stieß auf eine Meldung, dass bei Tunnelgrabungen im Wiener Untergrund Reste der verschollenen U5 gefunden worden wären. Genaueres zu dieser spannenden Geschichte ließ sich trotz eingehender Recherche nicht herausfinden. Dass der Mythos um die Linie U5 schon so alt war, dass bereits Elvis Presley in „Mystery Train“ darüber gesungen hatte, wusste ich damals nicht.
„Die U5“ ist eine jener spannenden Wiener Sagen, die hier schon in Kindergärten und Volksschulen erzählt werden, wie etwa „der Zahnwehherrgott“ oder der „Stock im Eisen“.
Nun wird die Geschichte der Geisterlinie U5 Realität.

Boboville vs Prolotown

U1 bzw. U4 mussten bekanntlich zum Zwecke der getrennten Beförderung der jeweiligen Klientel gebaut werden, da es zuvor auf den gemeinsam befahrenen Linien immer wieder zu Scharmützeln zwischen BoBos und Prolos gekommen war.
Nun also hat die SP den Bau einer neuen Linie U5 verkündet, Leitfarbe Türkis.
Die österreichische bzw. wiener Politik hat auf Gebieten wie Bildung (Ö Nr. 1 beim Pisa-Test), Arbeit (niedrigste Arbeitslosenquote aller Zeiten), Finanzen (Reallöhne steigen monatlich) und Wirtschaft (Hypo zahlt Überschuss an Steuerzahler aus) alle Visionen verwirklicht. Einzig der Bereich Verkehr bleibt als letzter Aktionsraum über. Nachdem die Grünen der SP in letzter Zeit verkehrs- und medientechnisch gehörig den Schneid abgekauft haben, schlagen die Roten zurück. Ihre Vision besteht darin, Wien neben der Tangente eine weitere stadtbekannte mathematische Verkehrsformel aufzudividieren. Und da Wien bekanntlich anders ist, soll die Linie U5 zum Stadtkreis Wien als Passante geführt werden. Wohl per Bürgerbefragung wird zu klären sein, wie künftige unterirdische Busquerungen, Fußgängerzonen und Parkmöglichkeiten aussehen sollen.

 

 

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