STADTBEKANNT unterwegs im 3. Bezirk

Es mag viele überraschen, aber die charmanten Pfade des dritten Bezirkes bestehen nicht nur aus dem Rochusmarkt und der Landstraßer Hauptstraße. Ringsum gibt es noch einiges, das entdeckt werden will.

Heißt es nun „in Landstraße“ oder „in der Landstraße“, wenn es um den dritten Wiener Gemeindebezirk geht? Oft sprechen wir nur vom „Dritten“ oder seinem pulsierenden Herz, der Landstraßer Hauptstraße, die sich von Wien Mitte bis Erdberg zieht. Abseits davon erstreckt sich nicht nur ein zunehmend beliebter Wohnbezirk mit einer Vielzahl an Grünflächen. Daneben gibt es immer wieder interessante Flecken, die bis zu einem zweiten Blick verborgen bleiben.

Arenbergpark Flakturm (c) STADTBEKANNT
Arenbergpark Flakturm (c) STADTBEKANNT

Baldrian im Arenbergpark

Wir beginnen mit unserem Spaziergang, zwischen der Neulinggasse und dem Rochusmarkt, im kleinen aber feinen Arenbergpark. Imposant erheben sich hier zwei der insgesamt sechs Flaktürme von Wien. Diese beiden wurden unter dem Codenamen „Baldrian“ zwischen 1942 und 1943 errichtet. Die großzügigen Wiesenflächen und Bäume in der Parkanlage bieten in der Nachbarschaft nicht nur einen schattigen Zufluchtsort an heißen Tagen, sondern Platz für einen Gemeinschaftsgarten. Der Park wurde einst von den Esterházys beauftragt und erhielt den Namen seiner späteren Besitzer, des Adelsfamilie Arenberg. Bis heute erhalten ist der Pavillon des Palais Arenberg, wo nun ein kleines Kaffeehaus für ParkbesucherInnen zu finden ist.

Pavillon des Palais Arenberg (c) STADTBEKANNT
Pavillon des Palais Arenberg (c) STADTBEKANNT

Wenige Meter nach dem Ausgang des Parks, fällt uns eine eher außergewöhnliche Statue auf. Es ist die Natursteinplastik „Familie“, die von der Wiener Bildhauerin Margarete Hanusch stammt und im Jahr ihrer Entstehung wegen ihrer ästhetischen Rückwärtsgewandtheit für einiges an Aufmerksamkeit gesorgt hatte.

Familie Plastik von Margarete Hanusch (c) STADTBEKANNT
Familie Plastik von Margarete Hanusch (c) STADTBEKANNT

Entlang der Apostelgasse

Auf dem Weg zur Apostelgasse kreuzen wir die Landstraßer Hauptstraße. Das ist die perfekte Gelegenheit um sich bei Nata Lisboa Kaffee und ein Puddingtörchen als Wegzehrung mitzunehmen. Wer eine ausgedehnte Mittagspause einlegen möchte, findet abseits der Hauptstraße ein paar Möglichkeiten dazu. Ganz in der Nähe ist auch die Lingenhel Käserei anzutreffen. Dort, wo die Apostelgasse die Hainburgerstraße kreuzt, befindet sich mit dem Lubin eines der beliebtesten Fischlokale von Wien — zumindest wenn es nach dem Tenor verschiedenster Bewertungsportale geht. Nicht nur kulinarisch ist die Gegend um die Apostelgasse vorzeigbar. Auf Nummer 18 befindet sich so genannte „Schuasteraquarium“ oder, wie wir es kennen, Apostelbad. Es zählt zu Wiens übriggebliebenen „Tröpferlbädern“, die mit dem heute gängigen Standard von Duschen und Badewannen in Wohnungen aus der Mode gekommen sind. Brausen kann man zwar immer noch, doch steht die Sauna mittlerweile im Vordergrund. Ein paar Häuser weiter, unweit des Apostelhofes, soll auf Nummer 24 im Jahr 1916 der Irrsinn ausgebrochen sein. Zumindest sagt das ein umfassender Zeitungsartikel aus selbigem Jahr, der das seltsame Verhalten des Trunkenbolds Rudolf Räder beschreibt. Heute ist vom vermeintlichen Irrsinn in der ruhigen Wohngegend nichts mehr zu vernehmen.

Städtische Brausebad Apostelgasse (c) STADTBEKANNT
Städtische Brausebad Apostelgasse (c) STADTBEKANNT

Nagl und Augustin

Unser Weg führt uns weiter durch die, von Bäumen gesäumte, Hainburgerstraße in Richtung Kardinal-Nagl-Platz. Dort, an der Hausecke zur Erdbergerstraße 92, ist das nächste Kuriosum zu betrachten. Eingelassen in den Verputz ist hier ein buntes Mosaik zu erkennen. Niemand geringerer als eine Wiens historischer Lieblingsfiguren, die des lieben Augustin, ist darin zu Füßen des Kardinal Nagl zu erkennen. Erinnert werden soll an die Pestopfer, die in einer nahegelegenen Grube bestattet wurden. Quer über den Kardinal-Nagl-Platz ziehen wir nun weiter, wo uns das erneut das dichte Treiben der Anrainer auffällt, die unter den Bäumen und auf den Bänken das bisschen Grün in Mitten der Stadt genießen.

Augustin Mosaik (c) STADTBEKANNT Kantner
Augustin Mosaik (c) STADTBEKANNT Kantner

Wir lieben den Gemeindebau

Schließlich stehen wir vor dem Rabenhof, der nicht nur 1122 Wohneinheiten, sondern auch Platz für das bekannte Rabenhoftheater bietet. Er zählt zu den größten Gemeindebauten in Wien und ist zugleich wohl eine der ansehnlichsten. Seine markanten Ziegelfassaden machen nicht nur einen stattlichen Eindruck. Der Anblick lässt einen gedanklich in die Ferne schweifen und erinnert etwa an die Brick Lane in London, wo in den Nischen ähnlicher Bauten kleine Cafés und Geschäfte eingezogen sind und East End zur hippen Gegend gemacht haben. Von dem ist im Rabenhof allerdings nichts zu sehen. Beim Spazieren durch die miteinander verbundenen Höfe treffen wir vorwiegend Pensionisten, Wiener Originale oder Kinder beim Spielen. Einzig und allein das Theater scheint etwas Bewegung in den Alltag des Gemeindebaus zu bringen. 1927 errichtete man die Räumlichkeiten als Arbeiterfestsaal, später dienten sie als Kino. Heute sieht sich das Rabenhoftheater als eine Art „Volkstheater“ und bietet ein buntes Programm, wie etwa den jährlichen Protestsongcontest oder verschiedenste Kabarettvorstellungen.

Rabenhof (c) STADTBEKANNT
Rabenhof (c) STADTBEKANNT

Auf den letzten Metern zur Schlachthausgasse

Entlang der Erdbergstraße ziehen wir weiter. Es ist nicht unbedingt der aufregendste Teil des Bezirkes. Wohnhäuser stehen dicht aneinander gereiht. Immer wieder stößt man im Vorbeigehen auf schäbige Wiener Beisln, die immerhin den Charme von Erdberg als alteingesessenes Arbeiterviertel, in dem man gerne auf ein Feierabendbier geht, widerspiegeln. Ab und an fährt ein Fiakergespann vorbei, da es sich hier wohl um eine der Durchzugstraßen handelt, auf denen die Touristenattraktionen zu und von ihren Stellplätzen gelangen. Kurz bevor wir die Schlachthausgasse erreichen, kommen wir am Verkehrsmuseum Remise vorbei, eine Attraktion, bei der es sich um das größte Straßenbahnmuseum der Welt handelt. Unser Spaziergang endet mit dem dichten Verkehr auf der Schlachthausgasse, wo sich der Häuserwall allmählich lichtet. Hier bekommt man mit Blick auf die Aspanggründe und St. Marx einen Eindruck davon, wie sich das Wohn- und Industriegebiet in den nächsten Jahren noch ausdehnen könnte. Noch haben wir die Grenze des Bezirkes nicht erreicht, aber das kann bis zur nächsten Entdeckungsreise warten.

STADTBEKANNT meint

Die Landstraße besteht also nicht nur aus einer Hauptstraße, die zwei Punkte miteinander verbindet. Im dritten Bezirk gibt es auch abseits des Rochusmarktes den einen oder anderen Ort, an dem es sich gut aushalten lässt. Egal ob wir uns gemütlich im Arenbergpark niederlassen oder uns eher nach guter Unterhaltung im Rabenhoftheater ist. Da schauen wir gerne öfter vorbei.

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    Ingeborg Monamy-Josel

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