20. Januar 2018

Die Wiener Kanalisation

Kanal (c) STADTBEKANNT

Ein Spaziergang durch die Innerein der Stadt

Wie könnte man den Geruch von Wien definieren? Wir begeben uns auf die Spurensuche nach dem Geruch der Stadt und setzen unsere Suche in den Wiener Kanalisation fort. Ein Streifzug durch die Innerein der Stadt, ihre bewegte Geschichte und das Leben im Untergrund, so wie einige erstaunliche Fakten zum Kanal.

Wer sich auf die Suche nach dem Geruch von Wien begibt wird vielerorts fündig. In den Wiener Kaffeeröstereien, der Manner Fabrik und der benachbarten Ottakringer Brauerei oder in der Wiener Kanalisation, wo es uns diesmal hinverschlägt. Wer dort allerdings heute noch einen atemberaubenden Duft erwartet, der wird enttäuscht, denn auf Grund der Kläranlagen und modernen Abwasserregulierung wird man hier kaum Gerüche wie im Mittelalter vorfinden. stadtbekannt hat sich auf die Spurensuche danach begeben, warum die Wiener Kanalisation zu solcher Prominenz gelangt ist und wie Wien unter der Gürtellinie so organisiert ist – damals und heute.

 

Die Wiener Kanalisation – einige Fakten

Das Kanalisationsystem der Stadt umfasst ca. 2.400 Kilometer, was ungefähr der Entfernung von Wien nach Paris (hin und zurück) entspricht. Circa 99 Prozent aller Wiener Haushalte sind daran angeschlossen, was im europäischen Vergleich ein Spitzenwert ist. Es werden täglich ungefähr 15 Tonnen abgelagertes Material aus den Kanälen gefördert, um so einen störungsfreien Abfluss zu schaffen.

Über fünf Sammelkanäle werden sämtliche Wasserabflüsse der Mischwasserkanäle und Bäche in Wien gesammelt und die sie dann zum Großteil in die Hauptkläranlage in Simmering leiten. Nur der Liesingtal-Sammelkanal leitet das gesammelte Abwassers in die Kläranlage Blumental. Weil es bei Regenfällen sonst schnell zur Überfüllung der Sammelkanäle kommen würde, werden die Abwasser durch Überleitungen in den Wienfluss, den Donaukanal oder in die Donau geleitet.

Wer schon immer mehr Fakten und Wissenswertes über den Wiener Untergrund erfahren möchte der sollte einen Blick ins Wiener Kanallexikon werfen, wo man von F Fäkalien bis R wie Rückstausicherheit so ziemlich alles an Information finden kann.

 

Geschichte der Wiener Abwasserregulierung

Eine der „urban legends“ über Wien ist, dass man den ersten Bezirk über das unterirdische Kellersystem durchqueren kann, was nicht von ungefähr kommt, denn zum einen ist dieses zur Gänze unterkellert, was teilweise bis in die Zeit von Vindobona zurück geht, und zum anderen wurde schon in der Zeit der zweiten Türkenbelagerung jedes neue Gebäude an den Straßenkanal angeschlossen. Das führte dazu, dass Wien 1739 die erste europäische Stadt war, die innerhalb iher Stadtmauern vollständig kanalisiert war.

Mit jeder Epedemie wie dem Ausbruch der Cholera 1822 wurde das Kanalisationssytem erweitert. Mit der Stadterweiterung wurden Stück für Stück alle Wiener Vorstädte an das Kanalsystem angeschlossen. Im jahr 1951 wurde die erste Wiener Kläranlage in Inzersdorf eröffnet. Seit 2002 ist das Kanalinformationssystem KANIS online, womit sämtliche Daten über das gesamte Kanalnetz Wiens online abrufbar sind.

 

Leben im Untergrund

Aufgrund der prekären Arbeitsverhältnisse und der verarmten Massen in der Phase der Industrialisierung im 19. Jahrhundert suchten Obdachlose in der kalten Jahreszeit im Kanalsystem Zuflucht um die strengen Winter zu überleben. Für die sogenannten Strotter war der Untergrund auch Arbeitsplatz und Lebensgrundlage, da sie brauchbare Gegenstände weiter verkauften oder nach Münzen im Kanal Ausschau hielten.

Zwei Wiener Journalisten, Max Winter und Emil Kläger, schufen mit ihren Sozialreportagen eine breite Öffentlichkeit für die desolaten Zustände unter denen die Armen Wienerinnen leben mussten. Im Jahr 1905 veröffentlichte Max Winter das Buch „Im unterirdischen Wien“; in den 1920ern kam sogar ein Film diesbezüglich in die Kinos. Um die Lebensbedingungen der ärmsten WienerInnen zu verbesern wurden Anfang des 20. Jahrhunderts zahlreiche Obdachlosen- und Männerheime geschaffen und mit dem Programm des Roten Wiens und dem damit verknüpften Wiener Wohnbau der Problematik entgegen gewirkt. Ab 1934 gab es eine Kanalbrigade, die als Sonder-Abteilung der Polizei für Ordnung in der Kanalisation sorgen sollte. Die Wiener Unterwelt hatte noch in der Zeit des 2.Weltkriegs eine wichtige Bedeutung für den Geheimdienst der Alliierten und kurz nach seiner Beendigung für den Unterschlupf und die Flucht ehemaliger Nazis. Mehr über das Leben im Untergrund erfährt ihr hier.

Wer sich Zugang in die Kanalisation verschaffen möchte, kann diese noch heute über die so genannten Türme erreichen, diese beherbergen in ihrem Inneren Wendeltreppen, allerdings benötigt man dafür eine Zugangsberechtigung.

 

Der dritte Mann

Als der Film „Dritte Mann“ 1948 in Wien gedreht wurde, konnte noch niemand ahnen, dass die Wiener Kanalisation durch den Film zu großer Prominenz gelangen würde. Auch 50 Jahre später ist diese so groß, dass nicht nur das private Dritte Mann Museum im 4.Bezirk sich als einziges Museum weltweit nur einem Film widmet, sondern mittlerweile die Dritte Mann Tour schon fast zur Pflicht bei einer Wien Reise zählt. Wer den Klassiker gesehen hat weiß warum: Die morbide Optik und zermürbende Atmosphärik die in dem Film heraufbeschworen wurde, übt einen Faszination beim Publikum auch noch mehr als 50 Jahre nach seiner Erstausstrahlung aus.

Die Dritte Mann Tour im Kanal findet übrigens immer von Mai bis Oktober statt. Wer dem Dritte Mann Museum einen Besuch abstatten möchte, kann dies samstags von 14:00 bis 18:00 Uhr tun.

Ein Missverständnis hätte das Zustandekommen des Films fast gefährdet, weil ein britischer Offizier den im Drehbuch genannten Begriff „Untergrund-Polizei“ missverstand und davon ausging, dass damit eine Geheimpolizei gemeint sei, die im Untergrund gegen die Alliierten arbeitet. Erst als geklärt war, dass der Untergrund im wahrsten Sinne des Wortes der Arbeitsplatz der Abteilung sei, wurde eine Dreherlaubnis gegeben.

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