Der Hauptbahnhof am Südtiroler Platz

Kredit aufnehmen, shoppen, wohnen und ein bissl Eisenbahn fahren.

 

Der Hauptbahnhof am Südtiroler Platz ist der erste seiner Art in Wien. Als im 19. Jahrhundert die ersten Bahnhöfe in Wien eröffnet wurden, waren diese, da zu konkurrierenden Bahngesellschaften gehörend, zumeist nicht miteinander verbunden. Ein Umstand der bereits Reisende unterschiedlichster Generationen zur Verzweiflung trieb und wohl schon zu mancher ungewollten Übernachtung an Wiener Bahnsteigen beigetragen hat. Der Hauptbahnhof macht sich nun daran, diesen Missstand zu beheben und bringt den umliegenden Bezirken so manche Umstrukturierung.

Wiener Hauptbahnhof (c) STADTBEKANNT
Wiener Hauptbahnhof (c) STADTBEKANNT

Sonntags shoppen

Am 10. Oktober 2014 wurden feierlich die neuen Einkaufspassagen des Wiener Hauptbahnhofs eingeweiht. Man fühlt sich stark an den Umbau des Wiener Westbahnhofs zum Einkaufszentrum Westbahnhof erinnert und auch beim sonntäglichen Einkauf im Hauptbahnhof-SPAR beschleicht einen das ungute Gefühl, gerade durch den eigenen Konsum gegen die hart erkämpfte Freizeit von Arbeitnehmern vorzugehen. Aber dieser bittere Beigeschmack haftet wohl oder übel an allen großen Neueröffnungen der letzten Jahre.

 

Kredit-Campus

Zwischen Hauptbahnhof und Schloss Belvedere entsteht gegenwärtig das neue Hauptquartier der Ersten Bank. Unter dem Euphemismus „Erste Campus“ entsteht hier ein Glaspalast für Österreich ältestes bestehendes Kreditinstitut. Ob die baulich signalisierte Transparenz beim Erste Bank-Kunden zu einer erhöhten Risikobereitschaft führt, bleibt noch abzuwarten. Bis lang sorgt der Neubau bei den kitschfreudigen Touristenhorden, die sich täglich vor dem Belvedere manifestieren, vor allem für Irritationen.

Erste Campus (c) STADTBEKANNT Mallmann
Erste Campus (c) STADTBEKANNT Mallmann

Wohnen mit Bahnblick

Im Süden des Hauptbahnhofs wurden und werden gerade 5000 Wohnungen geschaffen. Das Sonnwendviertel bietet modernen Wohnraum für Familien, „Bildungscampus“ bzw. Kindergarten und Schule inklusive. Es wirkt ein wenig so, als würde sich ein gutartiger aber unpassender Tumor ins Grau von Favoriten vorarbeiten. Ob das Projekt sich auf lange Zeit gegen die Favoritener Gemütlichkeit durchsetzen kann, bleibt noch abzuwarten. Momentan ziehen die Mietpreise um den Hauptbahnhof zwar dezent an, aber Favoriten ist seit über einem Jahrhundert der Bezirk der frisch Zugezogenen und hat bisher jeden Gentrifizierungsversuch stoisch ausgesessen.

 

STADTBEKANNT meint

Ein Wiener Hauptbahnhof, der die Eisenbahn-Anbindungen an das In- und Ausland bündelt, war lange überfällig. Dass ein neuer Hauptbahnhof nicht ohne Shopping City und glänzenden Neubauten zu haben ist, bleibt dabei wohl ein notwendiges Eingeständnis an den neoliberalen Zeitgeist.

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