17. September 2011

Das Wort zum Tatort vom 29.5.2011 – “Ausgelöscht”

Die berüchtigten Ost-Einbrecherbanden kennt man ja aus einschlägigen Zeitungen zu Genüge: vornehmlich aus Bulgarien stammende Herren verüben hierzulande professionell Einbrüche, das Geld wird irgendwo abgeliefert und die Herren fahren wieder nach Hause – den großen unbekannten Drahtzieher hat natürlich noch nie jemand zu Gesicht bekommen; endlich nimmt sich ein Tatort einmal dieses Themas an. Die heiße Spur: eine nackte Leiche taucht in einem Einkaufswagen auf und der Tote hat am Vorabend noch einen Einbruch verübt. Zur Unterstützung der Wiener Kollegen wird eine Sonderermittlerin aus Bulgarien geholt.

Strudelteig

Laut Donka „die hat doch irgendwie Dreck am Stecken“ Galabova, der neu eingetroffenen Sonderermittlerin, war der Tote Informant bei der bulgarischen Polizei, was ihm womöglich zum Verhängnis wurde. Trotzdem tappt man noch im Dunkeln: der Fall selbst, beziehungsweise die so genannte Ermittlungsarbeit, kommt nur sehr langsam in die Gänge, die erste Stunde wird mit schwachen Witzchen über schwule Zuhälter, Puffpartys und Cholesterin- und Leberwerte herübergebogen.

Nach der zweiten Einbrecher-Leiche im Einkaufswagen verdichtet sich die Geschichte allerdings (gaaaanz) langsam: sowohl die Einbruchsopfer als auch die Täter wurden von demselben Anwalt vertreten. Ist er der große Unbekannte? Und nach einer Schießerei im „Chez Milan“, bei der es angeblich um die Hehlerware aus den Einbrüchen ging, nimmt man sich den angeschossenen Chef des Nobellokals zur Brust. Der „schöne Milan“ (der Spitzname kann nur ironischer Natur sein) hat offenbar auch Verbindungen zu besagtem Anwalt – und sagt ohne diesen kein Wort.

Schmierenkomödie

Die Kommissare stolpern also mehr durch den Tatort und fallen kaum durch konstruktive Arbeit auf. Und auch sonst lag hier mehr die Parodie eines Tatortes vor: überzeichneter kann man Rollen eigentlich kaum anlegen als die „Ulknudel“ Bibi Fellner, der man Gott sei Dank endlich ihren Zuhälterschlitten abgenommen hat. Auch Handlung, schauspielerische Leistung (Kopf an Kopf: Grinsekatze Leander und Herr Gerichtsmediziner) und Drehbuch waren auf Dokusoap-Niveau. Und das dicke Ende kommt erst, als die „richtige“ Donka bei den Wiener Kommissaren auftaucht. Korruption sei dank wurde bei Eisner und Fellner eine falsche Ermittlerin eingeschleust – das geht in Wien offenbar ganz einfach.

Das dicke Ende…

Die Inszenierung des „überraschenden“ Endes ist dann endgültig bei „Sat1 FilmFilm“ angelangt: die falsche Donka – in Wahrheit Gangsterbraut – zieht sich Nuttenschuhe an und fährt mit Sonnenbrille Richtung Heimat. Denn – Überraschung! – der Boss persönlich hat in Wien aufgeräumt. Und ich schäme mich für diesen Tatort.


Die diesjährigen Tatort Rezensionen:

13.2.2011 –  “Stille Wasser”
9.1.2011 – “Unter Druck”
2.1.2011 – „Tödliche Ermittlungen“
16.1.2011 – „Der schöne Schein“
23.1.2011 – „Heimatfront“
20.2.2011: “Rendezvous mit dem Tod”
27.2.2011 – “Leben gegen Leben”
6.3.2011: “Vergeltung”
20.3.2011 – „Mord in der ersten Liga“
27.3.2011 – „Im Netz der Lügen”
3.4.2011 – „Edel sei der Mensch und gesund”
25.4.2011 – “Grabenkämpfe”
1.5.2011 – “Herrenabend”

Im Topkino und seit neuestem auch im Schikaneder gibts übrigens jeden Sonntag ein Tatort Public Viewing – bei freiem Eintritt und mit dem Highlight Täterraten, bei dem es auch noch Freigetränke zu gewinnen gibt.

Raphael Maria Dillhof„Es scheint so, dass in unserer Kultur das Leben dasjenige ist, was nicht definiert werden kann, aber gerade deswegen unablässig gegliedert und geteilt werden muss.” (Agamben)

 

10 Kommentare

  1. epoxy

    30. Mai 2011

    gehbitte…
    das war echt IRGENDWAS. und dass der boss persönlich seine geheime identität aufdeckt? come on.

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  2. Charles

    30. Mai 2011

    Mir hat es gefallen.
    Der Taot war spannend und hatte ein mehr als nur überraschendes Ende. Dass es, wie beim Tatort Wien üblich, nicht imemr ganz ernst zur Sache gin, passt schon. Auch das ermittlerduo fängt an zu harmonieren. War m.E. ein ziemlich gelungener Tatort.

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  3. Robust

    30. Mai 2011

    Blödsinn
    Das hat man echt erwartet von dir…ich habe es sehr unterhaltsam gefunden. Man erwartet kein Shakespeare von Tatort…bitte hör auf alles so penibel zu reviewen.

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  4. gfhjkl

    30. Mai 2011

    @Robust
    So ein Unsinn, warum soltle er damit aufhören? Man muss ja nicht damit übereinstimmen, aber wenn schon Review dann gründlich. Alles andere ist sinnlos.

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  5. Robust

    30. Mai 2011

    @gfhjkl
    Gründlich kann man schon aber muss es immer so negative sein? Natürlich darf er seine Meinung haben und ehrlich gesagt finde ich die Reviews manchmal nicht schlecht…aber "Ich schäme mich für diesen Tatort"…bitte, das ist kein Review.

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  6. gfhjkl

    30. Mai 2011

    @Robust
    Was die Formulierung angeht, hast du Recht. Das ist doch etwas viel Drama. Aber es gibt nicht so viele wiederkehrende tatortrezensionen und ich find die hier meistens ganz gut, auch wenn sie iwe du schreibst im Grundton oft negativ sind. Ich bin mir da nie so sicher, ob der autor den Tatort eigentlich mag oder nicht.

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  7. raphael

    30. Mai 2011

    @robust
    Danke fürs lesen! Ich erwarte vom Tatort einfach mehr – vor allem mehr Krimi-Handlung. Wenn die Witze überhand nehmen kann das nicht gut gehen.

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  8. raphael

    30. Mai 2011

    @gfhjkl
    Ich liebe den Tatort! Vielleicht werd ich in Zukunft wirklich ein wenig milder… Danke fürs Feedback an euch beide!!

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  9. Robust

    30. Mai 2011

    @Raphael
    Ich verstehe was du meinst und mag deine Reviews zu lesen, aber manchmal schreibst du einfach etwas zu negativ oder übertrieben, und man hat wirklich manchmal das Gefühl, das du Tatort überhaupt nicht magst und nicht anschauen, oder darüber schreiben willst…aber weiter so Raphael, aber ab und zu die Postive Sachen zu erwähnen schadet nie.

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  10. ulki

    30. Mai 2011

    sat1
    haha, jemand der weiss wie sat1-filmfilm ausgehen kann ich net ernst nehmen

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