15. September 2015

Das Geschäft mit dem Lulu

Volksgarten (c) STADTBEKANNT

Volle Blase, leeres Börsel?

Seine Notdurft zu verrichten ist nicht nur eines der menschlichen Grundbedürfnisse, sondern auch etwas, das die meisten wohl als Menschenrecht erachten. Doch mittlerweile entscheidet nicht der Druck auf der Blase, sondern die Menge an Münzgeld im Börserl, wie hoch die zivilisierte Ausscheidungswahrscheinlichkeit ist.

Die „guten“, alten Zeiten

Es gehört zu den sich nach und nach entwickelten Übeln, die alle tatsächlich zwangsweise in den letzten Jahren hinnehmen mussten, wir aber nicht unkommentiert lassen können: Pipi machen ist schon lange nicht mehr gratis.

Wehmütig erinnern sich manche etwas älteren Semester an Zeiten, wo es als Binsenweisheit galt, dass ein Lokal einem das Recht auf ein Glas Wasser und einen Toilettengang nicht verwehren dürfte. Das war angesichts relativ dünn gesäter öffentlicher Toilettenanlagen auch oft dringend nötig und freundliche Wirten ließen viele von uns mit einem Kopfnicken einfach passieren – und Pinkeln.

Toilette (c) stadtbekannt
Toilette Foto: STADTBEKANNT

Schöne neue Toilettenwelt

Heute gibt es in ganz Wien eine beträchtliche Anzahl öffentlicher Bedürfnisanstalten. Denn Wildpinkeln ist ja verboten und wird immer strenger sanktioniert. Nur wer kann sich das leisten? Denn öffentlich bedeutet nicht „umsonst“!

Und ein weiterer Aspekt liefert regelmäßig Stoff für Unmut: am Häusl sind nicht alle gleich …

Sitzen, Stehen, Männlein, Weiblein…

Besonders die weibliche Stadtbevölkerung ächzt, vor allem wenn viel Zeit draußen verbracht wird, über die allabendlich einzukalkulierende Summe „Pipigeld“. Denn für Frauen ist Pinkeln nicht nur nicht gratis, sondern auch einfach teurer als für Männer.

Normalerweise müssen die Damen mit einem Obolus von 50 Cent für einen Toilettengang rechnen, Männer meist mit 20 Cent fürs Pissoir. Das gilt für privat geführte Anlagen ebenso wie für viele öffentliche Einrichtungen. Einige empfinden das als doppelt unfair, denn für Frauen ist es angesichts anatomischer Gegebenheiten weitaus freizügiger, sich öffentlich einem Bedürfnis hinzugeben. Ein entspannter Abend bei Bier im Freien ergibt dann mit zwei bis sieben Klogängen oft den Betrag, den ein Bier in einem Lokal gekostet hätte. Auf einen Sommer gerechnet ist das eine ordentliche Stange Geld – nicht fürs Reinschütten, sondern das Rauslassen…!

Jugendstiltoilette (c) stadtbekannt.at
Jugendstiltoilette (c) stadtbekannt.at

Wenn wir cruisen…!

Schön, dass wir wenigstens bei Reisen mit dem Auto gratis ihre Notdurft verrichten können. Immerhin darf hier ja nur eine Spende verlangt werden, nicht aber eine Gebühr. Doch weil aus Scheiße Geld machen so unheimlich einträglich ist, haben sich findige Tankstellenbetreiber auch hier etwas ganz Tolles ausgedacht: den Gutschein! Wer heute bei vielen Tankstellen einmal austreten möchte, muss in einen schicken Automaten die bekannten 50 Cent werfen und bekommt dann – Hurra! – einen Gutschein ausgehändigt, der in überteuerte Tankstellenware umgetauscht werden kann.

Alternativen?

Natürlich besteht noch die attraktive Möglichkeit, sich als Frau in einer der LKW-Haltebuchten, auch bekannt als Spannerplätze, in das Gestrüpp zu werfen und zu hoffen, wieder lebendig und ohne auf einem Handyvideo zu sehen zu sein, zurückzukehren. Und wer denkt, eine Zugreise ist die urinmäßige Alternative, der irrt: die frisch renovierten österreichischen Großbahnhöfe haben die Neiddiskussion satt und sind auch auf Schranken mit Münzeinwurf umgestiegen. Denn leichter verdientes Geld gibt es kaum!

Di „hohe Schule“ des Gebührenwahnsinns

Weil bei fast allem gilt: Schlimmer geht immer, haben wir auch beim Thema Lulu ein Highlight für euch. Ein paar Schulen im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen machten in den letzten Jahren ein Geschäft mit dem Lulu. Weil die Kasse knapp war und Schultoiletten traditionell eine Zumutung sind, haben sie kurzerhand die neu renovierten Klos nur gegen Gebühr zur Benutzung freigegeben. Da kostete einmal Pausenpinkeln im Premiumklo 10 Cent, im Jahr. 2013 wollte eine Schule schließlich auf eine 10 Euro pro Halbjahr-Flatrate umsteigen. Das war dann sogar der Bezirksregierung zu bunt, die meinte, es dürfe keine Zwei-Klassen-Klos geben.

Eine Zwangslage

Wir wissen schon: aufregen kann man sich so viel man will, sobald es zwickt, gehen wir trotzdem aufs Klo, auch wenn es 50 Cent kostet. Aber dass diese Praxis, aus Scheiße Geld zu machen, ziemlich Scheiße ist, musste auch einmal gesagt werden.

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