24. September 2015

Blutgasse und Umgebung

Legenden um die Blutgasse

Im Herzen der Inneren Stadt spazieren wir über die Domgasse hin zu einer der wohl geschichtsträchtigsten Gassen Wiens, der Blutgasse. Wir unterhalten uns mit Bewohnern und Geschäftsbetreibern in einer ältesten Gassen Wiens und erfahren, dass der Name zwar historisch nicht belegt ist, die Gerüchte um sie jedoch mehr als interessant sind.

Blutgasse Innenhof (c) stadtbekannt.at
Blutgasse Innenhof (c) stadtbekannt.at

Von jungen Mädchen, Adeligen und ganz viel Blut

“Renate Bauer. Schneiderei” lesen wir auf einem kleinen, etwas angekökeltem Schild in der Blutgasse 3. Vielleicht hat Frau Bauer etwas zu erzählen, denken wir und betreten das weit offen stehende Tor, das uns in einen Innenhof mit Balkonen und viel Gewächs führt. Wir klopfen an, Frau Bauer sitzt auf einem Hocker und telefoniert, wir sehen uns um. “Was kann ich für Sie tun”, sagt plötzlich Frau Bauer. Die ältere Dame, die etwas an Uschi Glas erinnert, erzählt uns davon, dass hier, also im Fähnrichshof, in den Höfen damals Pferdetränken angebracht waren und dass die Gemäuer aus dem 12. Jahrhundert stammen. Das älteste Stück Wiens also? Ja, meint Frau Bauer und packt auch gleich ihre FSK18 Geschichten aus. “Wissen Sie eigentlich, warum die Blutgasse Blutgasse heißt? Nein? Seit 23 Jahren bin ich nun hier und weiß es selbst nicht genau!”, lacht sie und erzählt uns trotzdem, was so mancher Historiker (haarsträubendes) vermutet.

Blutgasse Fenster (c) stadtbekannt.at
Blutgasse Fenster (c) stadtbekannt.at

Von Fleischhauereien, die die Gasse damals in Blut getränkt haben sollen, von Adeligen, die sich bis zum Tode duelliert haben oder von einer jungen Gräfin, die sich junge Mädchen vom Land bestellte und in deren Blut badete, um damit die ewige Jugend zu konservieren. Gruselig das Ganze bis zu dem Punkt, als Frau Bauer meinte, dass es sich vielleicht auch lediglich um einen Schreibfehler der Gasse handelt. Manchmal liefe es ihr kalt den Rücken runter, wenn sie an derlei Geschichten denkt, sonst gefiele es ihr aber recht gut hier. Na gut, so lassen wir das stehen, lassen der Blutgasse ihre etymologische Herkunft und verabschieden uns von der tapferen Schneiderin.

 

Spukt es in der Blutgasse?

Nicht wirklich, denken wir uns. Hokus-Pokus und Geisterstunde scheinen uns dann doch etwas zu phantastisch. Es gibt jedoch Menschen, die denken da anders, glauben daran, dass beispielsweise Blutgräfin Lady Bathory des Nächtens ihr Unwesen treibt und erzählen von Personensichtungen schon längst Verstorbener. Wie zum Beispiel diese –kurzumrissene, Geschichte: Ein Herr, wir nennen ihn Peter, geht durch die Blutgasse und trifft einen alten Freund den er bereits seit Jahren aus den Augen verloren hatte. Die beiden beschließen einen gemeinsamen Kaffee einzunehmen um über alte Zeiten zu sprechen. Peter bestellt einen Kaffee, der alte Freund nur ein Glas Wasser. Peter entschuldigt sich, sucht die Toilette auf, kommt zurück, Freund weg. Als er sich bei der Kellnerin nach seinen Freund erkundigt, schaut ihn diese nur fragend an und sagt, dass er doch alleine gekommen wäre. Peter verlässt das Lokal, wochenlang passiert nichts als er am Familientreffen von einem gemeinsamen Bekannten erfährt, dass dieser Freund vor zwei Jahren verblichen sei. Ja, was so alles geschieht in der Blutgasse.

Blutgasse (c) Voggenberger stadtbekannt.at
Blutgasse (c) Voggenberger stadtbekannt.at

Cocktails im Mittelalter?

Einen Innenhof und fünf Gänsehäute später gelangen wir dann wieder in der Blutgasse und treffen auf Herrn Hagenauer, einen Biedermayer-Restaurator. Irgendwie scheint hier tatsächlich die Zeit stehen geblieben zu sein. Weiter die Blutgasse hinunter finden wir dann (ärgerlicherweise) das erste Stück an zeitgenössischer Barkultur. Die Chamäleon Cocktail-Bar lädt als einzige Bar in der Blutgasse zumindest mit Cola und Kaffee auf den Tischen vor und den Tischen darin zum verweilen ein. Ganz nett, nichts besonderes jedoch.

 

Mozart, Astralreisen und ein polnischer Spion

Am Anfang der Blutgasse, also noch in der Dom Gasse, befindet sich im Haus Nummer 5, selbstverständlich zu einer schicken Touristenattraktion umfunktioniert, Mozart’s Wohnhaus. Links davon dann die Gallerie Chobot. Seit 1983 existiert die Galerie nun schon und fungiert als Vermittler zwischen Kunden und Künstlern und als Treffpunkt zwischen öffentlichen Institutionen und Künstlern. An der Tür klebt Andy Warhol’s berühmte Velvet Underground Banane. Etwas weiter dann das Hotel König von Ungarn. Wie die Zimmer dort sind, wissen wir nicht, wir haben dort nicht genächtigt. In der Domgasse 8 finden wir dann eine ganz besonders schöne Buchhandlung vor. Das 777 Bücher ist nett eingerichtet und überzeugt/ überredet durch die offenen Pforten irgendwie zum eintreten. Bei näherem Betrachten grenzt sich der Horizont jedoch potzblitz ein. Es finden sich dort fast nur Esoterik und Astrologie Bücher. Aber nichtsdestotrotz eine gute Sache. Unmittelbar Tür an Tür zur Buchhandlung dann das Wohn- und Sterbehaus des polnischen Dolmetschers und Spions des polnischen König Johann III. Sobieksi.

 

Les françaises, ou quoi?

 Ma Creperie Blutgasse (c) stadtbekannt.at
Ma Creperie Blutgasse (c) Voggenberger stadtbekannt.at

In der Grünangergasse, also direkt ums Eck von der Domgasse, finden wir dann einen besonderen Hotspot für Kulinarik: Das französische Restaurant Ma Crêperie. Muscheln, Schnecken, Crêpes und Quiche in allen Formen, sowie ein Weinangebot, das sich gewaschen hat, finden sich in diesem in diffuses Licht getauchte Restaurant. Gefällt uns. Äußerst gut.

Das Blutgassenviertel ist bestimmt eines der romantischsten Viertel Wiens, ganz ohne Zweifel. Nur leider tut sich halt sonst nicht wirklich viel dort. Wer Ruhe vom geschäftigen Treiben des ersten Bezirks sucht und sich von den geschichtsträchtigen Gemäuern inspirieren lassen will, der ist hier bestens aufgehoben, denn bluten und spuken tut hier (wahrscheinlich) keiner mehr.

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