24. Mai 2010

Ay caramba! Die Simpsons werden 20

Da Da Dada – erst flog da ein Knochen durch die Luft und plötzlich dreht sich eine Weltraumstation im kalten, schwarzen Orbit und es ward – GELB.

So unvermittelt schlugen vor genau 20 Jahren, am 17. Dezember 1989, die Simpsons auf unserer Erde ein, dass wohl dieses Bild des berühmtesten Schnitts der Filmgeschichte, aus 2001: Odyssee im Weltraum das bedeutsame Ereignis besser fassen kann als alle Worte.
Zu neu und gänzlich andersartig als alles, was es bisher an nachmittäglicher Fernsehunterhaltung gab war der gelbe Spuk aus Springfield. Wo bis dahin ein moralinsaurer Bill Cosby seine Familie tyrannisierte, MacGyver ein ums andere Mal Geräteschuppen mit Kaugummi und Büroklammern in die Luft jagte, dass einem die Reaktion der Reagan-Ära nur so um die Ohren flog wurde nun „D’Oh“ zum Schlachtruf ungezügelter und ebenso unverschämter Engstirnigkeit.
Anarchischer als es sich selbst Alf je getraut hätte rechneten die Simpsons rückhaltlos mit dem American Way of Life ab. Heilige Kühe wurden im Episodentakt geschlachtet. Ob altersschwache Nazis, mediengeile Anwälte, egozentrische Fernsehmoderatoren, planlose Aliens, verlogene Prediger, korrupte Politiker, schießwütige Waffennarren oder abgehalfterte Möchtegernstars, jeder bekommt bei den Simpsons sein Fett weg und was am meisten erstaunen mochte: es passt bei den Simpsons alles zusammen. Klar, warum sollte man auch nicht zufällig unter irgendeiner willkürlich gewählten Telefonnummer in Paraguay das Autotelefon des untergetauchten Adolf Hitler erreichen.

Zuerst von Erfinder Matt Groening nur als Pausenfüller für die zu dieser Zeit sehr beliebten Tracey Ullman Show gedacht entwickelten Homer, Marge, Bart, Lisa, Maggie und die restlichen Einwohner der fiktiven, aber umso naturalistischeren Stadt Springfield bald eine Eigendynamik die alle Erwartungen übertraf.
Der Versuch das Geheimnis der Simpsons zu ergründen füllt schon ganze Bücher. Vielleicht liegt es schlicht und ergreifend in der Normalität des Wahnsinns. Die unbändige Überspitzung des Alltags in Industrieländern Ende des 20. Jahrhunderts, sowie die rückhaltlose Darstellung und Demaskierung der Realität machen die Simpsons zu einem Zerrspiegel der Postmoderne. In einer Welt der Orientierungslosigkeit hat der Irrsinn nicht nur Methode, er ist sie selbst. Was Menschen in ihrem täglichen Leben betrifft, das wird in den Simpsons aufgegriffen und durch den Wolf gedreht. Nicht umsonst ist es so, dass man nach kurzer Recherche zu fast jeder Lebenslage und –situation eine passende Simpsons-Episode findet. Eingefleischte Fans können mit Gesprächsfetzen aus der Serie ganze Unterhaltungen bestreiten und im Unterschied zu Trekkies wirkt dies nicht nur peinlich. Zitate aus den Simpsons wie „D’Oh“ oder „Ay Caramba“ haben längst den kollektiven Wortschatz ganzer Generationen infiltriert und sind in aller Munde.

Doch sind es nicht nur die infantilen Witze und Running Gags die den gelben Kult ausmachen. Wer die literarischen und (pop-)kulturellen Anspielungen in der Serie katalogisieren will, den würde wahrscheinlich eine hauptberufliche Tätigkeit erwarten. Mit großer Wahrscheinlichkeit kommen Kinder in unserer Zeit mit Charles Dickens oder Orson Welles zum ersten Mal über die Simpsons in Berührung. Ohne erhobenen Zeigefinger oder übertriebenen Respekt werden zeitlose Themen im besten Sinne geklaut, simpsonisiert und so erlebbar gemacht.
Doch gibt es auch umgekehrt von Seiten der Hochkultur wenig Berührungsängste. Der britische Astrophysiker Stephen Hawking nimmt sich in seinem Gastauftritt selbst ordentlich auf die Schaufel und sogar das große Phantom der amerikanischen Literatur Thomas Pynchon unterbrach seine vierzigjährige Medienabsenz mit einer Sprechrolle bei den Simpsons.

In jüngerer Zeit beglückten uns weniger geistreiche Figuren wie Paris Hilton, Britney Spears, 50 Cent oder Kid Rock mit ihrer Präsenz. Vor allem aber steigende Beliebigkeit der Geschichten und billiger Slapstick wird von vielen Fans der „alten Schule“ an den neueren Staffeln kritisiert.
Nach 449 Episoden scheinen auch bei den Autoren gewisse Verschleißerscheinungen eingetreten zu sein und es mag jeder und jede die Frage für sich selbst beantworten ob man den Gelben wünschen will sich durch zwanzig weitere Jahre zu quälen.
Ein Schicksal das Simpson-Experte John Ortved in einem Süddeutsche Interview zu einem Vergleich inspiriert: „Es ist ein bisschen wie mit den Rolling Stones – sie waren mal wirklich neu und außergewöhnlich, heute ist es schon fast ein bisschen peinlich sie immer noch auf der Bühne zu sehen.“

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