29. November 2011

World Wide Winner Wien

Lasset uns tanzen, lasset uns jubilieren! Nachdem Wien bereits im Jahr 2010 im Rahmen der Mercer Studie zur lebensfreundlichsten Stadt weltweit erklärt wurde, folgt im Jahr 2011 wieder ein Stockerlplatz mit der Goldmedaille. Stadtbekannt hat sich die Details der Studie kurz angesehen.

„Donau so blau, durch Tal und Au wogst ruhig du dahin, dich grüßt unser Wien, dein silbernes Band knüpft Land an Land, und fröhliche Herzen schlagen an deinem schönen Strand.“ Zwar hat Wien keine offizielle Hymne, als inoffizielle Hymne gilt jedoch der „Donauwalzer“ von Johann Strauss’ Sohn – und diese darf nun mit Stolz geschwellter Brust in die Straßen, Gassen und Plätze Wiens hinausposaunt werden: Wien ist die Nummer Eins!

Die Nummer Eins worin?

Die Mercer Studie wird jährlich vom gleichnamigen Personalunternehmen Mercer angefertigt und erhebt die Lebensqualität von 221 Metropolen weltweit. Was ist diese Lebensqualität denn aber eigentlich? Für Mercer setzt sie sich aus 39 verschiedenen Faktoren zusammen in zehn unterschiedlichen Kategorien, nämlich politische und soziale Bedingungen, ökonomische Bedingungen, soziokulturelle Bedingungen, Gesundheit und Gesundheitswesen, Schulen und Ausbildung, öffentliches Service und Verkehr, Freizeit, Konsumgüter, Unterkünfte sowie Umwelt. Ein zweiter Teil der Studie beschäftigt sich übrigens spezifisch mit Sicherheit – hier ist Wien zwar nicht die Nummer Eins, aber der Platzierung auf dem fünften Platz muss einem als stolzer Wiener auch nicht unbedingt gleich die Schamesröte ins Gesicht treiben.

Mercer – Die Nr. 1 der Repräsentativität?

Freilich, die Stichprobe der befragten Personen mag ein wenig heikel erscheinen, ob im Ausland tätige Geschäftsleute in puncto Verdienst, sozialer Status, Mobilität und Bildungsniveau die Meinung und Einschätzung der „breiten Masse“ der Bevölkerung vertreten, sei mal so dahin gestellt – ob sich Geschäftsleute auf dem Weg ins Büro oder zum Meeting mit städtischen Brennpunkten wie zum Beispiel Gemeindebauten auseinander setzen, ist fraglich. Auch, dass diese Befragungs-Stichprobe ihre Repräsentativität betreffend wahrscheinlich nicht einmal in der Arbeit eines Seminars auf der Uni als akzeptabel durchgehen würde, wollen wir an dieser Stelle vergessen. Und natürlich ist eine Betrachtung der Lebensqualität immer eine objektive, die subjektive Einschätzung einer allein erziehenden Mutter in einer kleinen Wohnung am Sechshauser Gürtel wird ziemlich sicher eine andere sein – aber dafür kann Mercer klarerweise nichts, das wollen wir der Firma nicht vorwerfen. Zu guter Letzt rücken wir singend auch die Tatsache in den Hintergrund, dass es durchaus auch Städterankings und Studien abseits jener von Mercer gibt, auf denen Wien nicht auf dem Stockerl rangiert, nämlich etwa den World City Survey.

Man muss an dieser Stelle natürlich so fair sein und anmerken, dass es nicht das erklärte Ziel des Personalunternehmens ist, die Meinung sämtlicher Einwohner einer Stadt zu erheben, sondern anderen Unternehmen eine Grundlage dafür zu bieten, in welchem Rahmen sich eine faire Vergütung der jeweiligen Metropole bewegt. In Summe also ein Service für bessere Arbeitsbedingungen im Ausland tätiger Geschäftsleute. Dass dieses Faktum in der öffentlichen Berichterstattung nur allzu selten bis gar nicht erwähnt wird, ist wieder etwas Anderes – man will die gemeine Hausfrau ja nicht in ihrer Freude trüben und ihr gleichzeitig die traurige Nachricht übermitteln, sie spiele gar keine Rolle.

Wir haben Gold!

Dennoch dürfen wir uns natürlich freuen, eine Goldmedaille ist schon etwas wert – vor allem dann, wenn man stolz sein darf und mit einem kollektiven „Wir-Gefühl“ überlegen lächelnd sogar auf Zürich (Schweiz, 2. Platz), Auckland (Neuseeland, 3. Platz) oder etwa München (Deutschland, 4. Platz) herab blicken darf. Wenn es schon nicht beim Fußball klappt, dann können wir zumindest mit unserer überaus hohen Lebensqualität triumphieren. Was hat schon die beste Fußballmannschaft davon, wenn sie in einer Stadt lebt, die in Punkten wie Abwasser- und Müllentsorgung, Wohnungswesen oder Verfügbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel nicht gerade die beste ist?

So können wir also wie auch im Jahr 2011 froh sein, in Wien zu wohnen und nicht etwa in Khartoum (Sudan, 217. Platz), Port-au-Prince (Haiti, 218. Platz), N’Djamena (Chad, 219. Platz), Bangui (Zentralafrikanische Republik, 220. Platz) oder Bagdad (Irak, 221. Platz).

(Eva Felnhofer)

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