30. Dezember 2011

Von Thomas Bernhard zu Tom Waits

Von Thomas Bernhard zu Tom Waits: eine asoziiative Hommage anlässlich des Thomas-Tages am 21.Dezember.
 
Thomase werden besungen („Hey Thomas“ von Wizo, „Thomas“ von A Perfect Circle, „Thomas und die Frauen“ von den Fantastischen 4), nach Thomasen werden ganze Rockopern benannt („Tommy“ von The Who), Filme („Thomas and the Magic Railroad“ aus dem Jahre 2000 mit Alec Baldwin beispielsweise), Inseln (Saint Thomas, ein Teil der karibischen Jungfraueninseln), Gemeinden (wie viele Sankt Thomase es gibt entzieht sich jedoch beim besten Willen zur Recherche meiner Kenntnis), auch Kirchen (die Thomaskirche in Straßburg oder die St. Thomas Kirche in Berlin). Über mangelnde Präsenz in der westlichen Hemisphäre kann sich der Name Thomas nun wirklich nicht beklagen – und das muss auch einen Grund haben.
 
Wo beginnt also unsere Hommage quer durch die Geschichte berühmter Namensträger? Bei Thomas Forstner, jenem Barden mit Weltmeister-Frisur, der uns in den Achtzigern beim Songcontest zwar versprach „Nur Ein Lied“ zu singen, uns im Jahr darauf aber mit einem Zweiten beglückte, in dem er ein verregnetes (und von Songwriter-Ikone Dieter Bohlen komponiertes) Venedig besang, das mit dem pan-europäischen Tenor „Austria: zero points“ goutiert wurde? Mitnichten.
 
Schaue ich auf die Wand über meinem Schreibtisch, grinst mir da Thomas Bernhard entgegen, auf seiner Lieblingsbank am Graben sitzend, drei Kinder hinter ihm. Ende der Achtziger wurde das Foto gemacht, nicht lange vor der Premiere und dem Eklat von „Heldenplatz“, das – wie so vieles, was Bernhard über Österreich geschrieben und gesagt hat – heute trauriger Weise nicht weniger aktuell ist. Bernhard, der im Februar seinen 80. Geburtstag gefeiert hätte (stadtbekannt wird sicherlich etwas darüber bringen), hieß eigentlich Niclaas Thomas Bernhard. Kurz vor seinem Tod ließ er es testamentarisch verbieten, seine Stücke in Österreich aufzuführen – der Aufruhr zu Heldenplatz dürfte ihn dieses Landes genauso landesmüde gemacht haben, wie die Beschlagnahmung von seinem großartigen Roman „Holzfällen“.
 
 „Sozialistisch ist das nicht“, hat er anlässlich des Holzfällen-Prozesses in einem Interview mit Krista Fleischmann auf Zwischenruf eines Reporters gesagt, „das ist kleinbürgerlich, katholisch, nationalsozialistisch“. Überhaupt sind auch sämtliche Bernhard-Interviews, allen voran die „Monologe auf Mallorca“ sowie „Die Ursache bin ich selbst“ (beide Gespräche mit Krista Fleischmann geführt) höchst empfehlenswert – seine Sprachartistik und sein großartiger Humor at its best.
 
In Punkto Literatur ist Bernhard mit seinem Vornamen in bester Gesellschaft. „Alles ist lächerlich, wenn man an den Tod denkt“, hat er einmal gesagt – Dylan Thomas hingegen, sprach von der „rage against the dying of the light“.   „And though lovers be lost, love shall not – and death shall have no dominion“ heißt es in seinem wunderschönen Gedicht „And Death Shall Have No Dominion“. Weniger den Dystopien sondern den Utopien wandte sich Thomas Morus zu, jener Staatsmann und Schriftsteller aus dem Großbritannien des 15. Jahrhunderts, der mit seinem in lateinischer Sprache verfassten Roman „Utopia“ ein ganzes Genre prägte. Vier Jahrhunderte nach Morus etablierte sich Thomas Sternes (T.S.) Eliot mit Werken wie dem allseits bekannten „The Wastelands“ als Meilenstein der Moderne. Ein Meilenstein für die deutsche Literatur war der 1955 verstorbene Schriftsteller Thomas Mann, 1929 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.

So wichtig wie Eliot für die lyrische Moderne war Thomas Hobbes für die Philosophie – „Leviathan“ ist ein Standardwerk der politischen Philosophie. Neben seinen Abhandlungen zu Staatswesen, Erkenntnistheorie und Religion zählt Hobbes, gemeinsam mit Locke und Rosseau, zu den bedeutenden Vertragstheoretikern.

 
Kirchen- und religionshistorisch verdienen vor allem der Apostel Thomas (ein Jünger Jesu Christi) sowie Thomas von Aquin hier Nennungsrelevanz. Einen Papst mit dem Namen Thomas hat es übrigens nie gegeben, sinnierte Thomas Bernhard einst, und meinte, dass er seinen eigenen Namen wählen würde, sollte man ihn doch noch einmal zum Papst erküren.
 
Wichtige Namensträger in der Politik waren Beispielsweise Thomas Jefferson, seines Zeichens dritter Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika oder im etwas anderen Sinne auch der 2004 verstorbene österreichische Bundespräsident und Joe Zawinul-Freund Thomas Klestil, dessen Amtsverständnis oft den Eindruck das eines Feudalherren machte und der mit versteinerter Miene bei der Angelobung der ersten ÖVP/FPÖ Regierungsangelobung glänzte.
 
Überhaupt ist der Name Thomas im österreichischen Leben sehr prominent: so brachte Thomas „Einebeisser“ Muster zu seinen aktiven Zeiten in der ATP-Liste stets großes Tennis, Thomas Bubendorfer kennt man als erfolgreichen Extrembergsteiger und Thomas Morgenstern brachte der Alpenrepublik beim Skispringen die eine oder andere Goldmedaille sowie den Gesamtweltcupsieg 2007/2008 nach Hause. Thomas Vanek schießt in der NHL bei der Sabres den Puck regelmäßig dorthin, wo er hingehört.
 
Ein großer Sohn der Heimat ist auch Thomas Brezina, der uns in jungen Jahren mit einem sprechenden Fahrrad konfrontierte (Tom Turbo, ein weiterer Thomas) und uns mit der Knickerbocker Bande (wer erinnert sich nicht an die „99 Heißen Spuren“ und die Decoder-Karte) den Detektivsberuf näherbrachte.
 
Zu den besten Kabarettisten dieses Landes darf Thomas Maurer gezählt werden. Großartig beispielsweise „Zwei Echte Österreicher“ im Duo mit Florian Scheuba. In Punkto Film gibt es hierzulande Thomas Woschitz, zu dessen Film „Universallove“ Naked Lunch den Soundtrack lieferten. Der Gitarrist von unserer redaktionsfavorisierten Heavy-Band BOON (die dieses Jahr mit AC/DC auf Tour gingen und ihr nachwievor empfehlenswertes Album „The Almighty Love“ veröffentlichten) Thomas Panzenböck sei hierzulande ebenso gepriesen wie Kollege Andi Barth, von dem seine sportjournalistische Arbeit bei der Fußball WM eher bekannt ist als das Faktum, dass er mit zweitem Namen Thomas heißt und ebenso genannt werden muss.
 
In Punkto Musik gehören viele Thomase ganz vorne dazu: Thomas Alan „Tom“ Waits  ist mit Sicherheit eine der großartigsten lebenden Personen die diesen Namen tragen, ebenso wie Tom Petty. Bei beiden bleibt zu hoffen, dass sie endlich einmal nach Österreich kommen. Ganz oben dabei natürlich auch Tom Morello, der Gitarrist von Rage Against The Machine. Ein weiterer großer Thomas der sonischen Sphäre ist mit Sicherheit Thom Yorke von Radiohead, von denen 2011 ein neues Album kommen soll, genauso wie von den etwas weniger revolutionär guten Blink 182, deren Frontman Tom DeLonge heißt. Cooler als Thomas Anders, der weiland Nora-Kette-behafteten Hälfte von „Modern Talking“ ist sicherlich noch Tom Jones, was beide derzeit musikalisch machen weiß ich nicht, entzieht sich allerdings auch ein wenig meiner Interessensenergien. Vielleicht sieht man sie ja bald wieder bei Thomas Gottschalk. In der deutschen Popmusik symphatischer als Thomas Anders, der im übrigen Bernd Weidung heißt und somit ein falscher Thomas ist, ist Thomas Dürr, besser bekannt als Thomas D. von den Fantastischen Vier.
 
So much Thomas, so little time: stadtbekannt wünscht allen Namensträgern einen frohen Thomas Tag, empfiehlt sich Tom Waits auf Vinyl aufzulegen und ein Buch von Thomas Bernhard zu schnappen, und wenn die Öffis wiedermal streiken, sich auf Tom Turbo zusetzen, sich allerdings niemals einen Schnauzbart wie Thomas Brezina zu besten FS1-Zeiten wachsen zu lassen.
 
Markus Brandstetter

Geschichten rund um den Song Noir. Von strauchelnden Protagonisten, Mythen und Mixtapes.

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