14. Februar 2012

Und alles dreht sich im Waschsalon – Warten, Schleudern, Warten.

Der Waschsalon, ein Topos urbaner Lebensräume, dem die Hektik nichts anhaben kann, denn Stress bringt hier sowieso nichts. Letzte Bastion müffelnder Schmutzwäsche oder Rettungsanker in letzter Not. Für viele ist er aber auch Oase inmitten urbaner Betonwüsten. Ein Ort der dem Credo unterliegt: Warten, Schleudern, Warten, Kaffee, Schleudern. Man mag ihn bezeichnen wie man möchte, sicher ist, es ist ein Ort, dem, so steril und simpel er auch scheinen mag, viele Mythen und Klischees anhaften.

Und so muss es passieren, dass, geradezu penibel pünktlich, die altgediente Waschmaschine im Eigenheim ihren zirkulierenden Geist aufgibt. Und da ist er: Der rettende Anker, der Waschsalon. Zwei Ikea-Tragetaschen randvoll beladen mit wochenlang angetürmter Schmutzwäsche, kämpft man sich also wie ein Packesel inmitten von Sturm und Schnee durch das winterliche Wien.
Das Gefühl, das in einem hochsteigt, wenn man durch Ottakrings Schneegestöber endlich den Schriftzug „Waschsalon“ erkennnen kann, lässt sich hier gar nicht in Worte fassen – Glück. 11,- Euro: Waschen und Trocknen.

Vollklimatisiert!

Als ein Zeichen der inneren Erleichterung lasse ich erst einmal die in etwa zwölf Kilo schweren Säcke zu Boden sacken und mache mir ein erstes Bild von der Szenerie. „Vollklimatisiert“ steht da. Ein Schriftzug, dem man sonst nur in einschlägigen Etablissements begegnet, lässt in mir eine „spiraeske“ Erwartungshaltung á la Alltagsgeschichten aufkommen. Ich schaue mich um: Trommeln, Wäschekörbe, Automaten für Snacks und Kaffee.
Keine Seele ist zu sehen, bis auf einen Mann, der sich gerade seine letzten paar Haarfetzen sorgfältig über sein quasi maximal licht-gewordenes Haupt legt, bevor dieser sich dann in einer heftigen Schimpftirade über mich ergießend den Raum verlässt. Erster Gedanke: Selbsterfüllende Klischees. Also stimmt es doch. Der Waschsalon, ein Ort – ein Schmelztiegel der sozialen Schichten. Mein Herz hüpft vor Entzückung in Erwartung dessen, was mir noch alles zustoßen würde in den nächsten ein bis zwei Stunden.

Waschen, Schleudern, Trocknen.

Nachdem ich meine Wäsche geradezu euphorisch in die Trommel gesteckt und am Terminal zehn Euro abgetreten habe, setze ich mich vor die Maschine, genieße die Ruhe der Einsamkeit und sauge die intime Atmosphäre in mir auf. Doch nach einiger Zeit muss ich konstatieren: Irgendwie fühlt es sich so normal an. Wo sind die selbsterfüllenden Klischees nun, die ich mir erwatet hatte? Ist es vielleicht zu kalt zum Waschen? Habe ich mir einen schlechten Tag ausgesucht? Oder vielleicht sogar den falschen Salon? Wohl nur Ariel und Weißer Riese wissen die Antworten auf diese Frage. Entäuschung macht sich breit. Naja wenigstens einmal legitim in der Öffentlichkeit schmutzige Wäsche waschen, denke ich bei mir, schließlich habe ich ja dafür bezahlt.

Saperlot Whitney!

Da sitze ich nun, auf dem Schoß meinen Kindle, Robert Müller – Tropen. Alle 30 Sekunden in etwa hebt sich mein Kopf Richtung Trommel, um sich dann genervt darüber, dass noch immer die selbe Restwaschzeit am Display zu sehen ist, wieder dem Kindle zuzukehren. Es ist still, nur eine Whitney Houston Platte ist aus den dürftigen Salonboxen zu hören. Der Waschsalon gedenkt posthum, in memoriam Whitney Houston, die Tags zuvor verstorben ist – irgendwie ein skurriler Gedanke, doch wenigstens weiß ich nun, welche Musik der oder die Besitzerin des Salons wohl hört, wenn man schon sonst nichts über diesen weiß.

Als ich ich mich schon der zweiten Ladung Wäsche widmen will, unterbricht plötzlich, gerade bei „I Will Always Love You“, ein „Saperlot, Saperlot, Saperlot!“ die lethargische Ruhe. Ein kleines asiatisches Mädchen hüpft durch den Salon, begleitet von ihrer Mutter, und hat hörbar Spaß daran, das Wort „Saperlot“ immer wieder vor sich herzusingen, bis sie auf der anderen Seite des Salons wieder verschwinden. Vielleicht die Besitzerin.

Noch fünf Minuten und wenigstens was gelernt.

Dann waren es nur noch fünf Minuten, doch mein Hunger wollte jetzt gestillt werden. Rettung naht in Form des Snackautomaten, doch wer glaubt, dieser hätte es gut mit mir gemeint, der irrt. Wie es der Schmutzteufel so will, frisst dieser natürlich meine letzten zwei Euro, sodass ich mich wieder verärgert der Waschmaschine zuwende, denn wenigstens die lässt mich nicht im Stich. 0:00 war da zu lesen. Fertig. Jetzt nur noch trocknen. Wieder zum Bezahlterminal. Doch in dem Moment, als mein Blick den Kupferanteil des Inhalts meiner Brieftasche realisiert, wird mir klar: Snackautomaten sind Arschlöcher!

Philipp Köstenberger

P.S.: 12 Kilo Wäsche fühlen sich nass irgendwie schwerer an.

1 Kommentar

  1. Säbs

    14. Februar 2012

    Neues Lieblingswort…
    …spiraesk <3

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