23. Juni 2011

Sitzen bleiben abschaffen

Die Temperaturen klettern und die Sommerferien stehen vor der Tür – für viele Wiener Schüler kein reiner Grund zur Freude. Bei 12.000 von ihnen steht im Herbst ein „Nachzipf“ an. Fällt auch dieser negativ aus so ist zur bitteren Ehrenrunde in der gerade absolvierten Schulstufe anzutreten. Eine Ausnahmeregelung durfte bisher nur die Schulkonferenz zugestehen und das auch nur im Falle eines einzigen „Nicht genügend“. Das soll sich nun ändern. In den österreichischen allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) sowie berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS) soll sich das spätestens 2016 ändern. Bildungsministerin Claudia Schmid brachte einen Gesetzesvorschlag ein, nach dem in den nächsten fünf Jahren an allen Oberstufen der 800 AHS und BMHS ein Aufstieg auch mit drei „Fünfern“ möglich sein soll.

Ein neues Kurssystem gewährleistet dann, dass mit negativen Beurteilungen in wenigen Fächern nicht gleich das gesamte Jahrespensum wiederholt werden muss. Die einzelnen Kurse können somit unabhängig von einander absolviert werden und besondere Fördermaßnahmen wie Mentoringprogramme und schulische Lerngruppen sollen so zu besseren Erfolgen dabei führen. 

Ökonomisches und soziales Problem

Ein Problem stellt das Sitzen bleiben nicht nur für die jährlich ca. 9.400 wegen nur einer negativen Note in österreichischen Oberstufenschulen hängen bleibenden Schüler sondern auch für die Allgemeinheit. Mit 300 Millionen Euro beziffert der Bildungssprecher der Vorarlberger Grünen Harald Walser die jährlichen Mehrkosten durch Klassenwiederholungen insgesamt. Schmied rechnet durch die neue Regelung mit Einsparungen von 35 bis 40 Millionen Euro pro Schuljahr. Eine Summe die direkt in die notwendigen Fördermaßnahmen investiert werden soll.

Wien am stärksten betroffen

Wien nimmt in Bezug auf die Klassenwiederholungen sowohl eine positive als auch eine negative Spitzenrolle in Österreich ein. Nirgends müssen so viele Schüler eine Klasse wiederholen wie in der Bundeshauptstadt, in keinem anderen Bundesland aber gibt es so viele Schulversuche mit der neuen erleichterten Aufstiegsregelung. An BMS ist es mehr als ein Fünftel aller Schüler (Ö-Schnitt 11,7 Prozent), an BHS sind es fast 15 Prozent (Ö-Schnitt 9,6 Prozent) die eine Klasse wiederholen müssen.

Zur Verringerung dieser Quote sind in Wien bereits seit 2004 mehrere Modellversuche im Gange die mit dem anvisierten Kurssystem die Klassenwiederholungen zu minimieren versuchen. Bereits in acht Schulen durfte sich die in Module aufgeteilte Oberstufe bewähren.

Von der Regel zur Ausnahme

Effizientere und vor allem schülerfreundlichere Lösungen wären nun auch für die übrigen Schultypen angebracht, denn neben der der bereits erwähnten ökonomischen Sinnlosigkeit von Wiederholungen eines gesamten Schuljahres wegen punktueller Schwächen ist das Sitzen bleiben auch eine oftmals unnötige Einschränkung junger Menschen in ihrer intellektuellen und sozialen Entwicklung. Die Praxis Ausnahmefall umfassend defizitärer Kenntnisse und Leistungen mit dem Regelfall einer Klassenwiederholung zu sanktionieren sollte damit endlich der Vergangenheit angehören.

2 Kommentare

  1. Milos

    16. Juni 2011

    Weg mit dem Scheiß
    endlich Jahre nach allen anderen ist es auch in Österreich so weit. Hut ab vor der Bildungsministerin die wirklich ein ambitioniertes Reformprogramm umsetzt.

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  2. Maria L.

    16. Juni 2011

    Bin selber Mutter
    Und sehr froh, dass es wenn mein Kleiner mal in dem Alter ist, kein Sitzenbleiben ind er herkömmlichen Form mehr geben wird.

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