10. Februar 2011

Sir Tralala im Gespräch

Komponist und Multiinstrumentalist, Rockmusiker, Filmmusiker, Schauspieler und bald auch Sänger und Darsteller in einer Oper gemeinsam mit Bruckmayr & Naked Lunch: David Hebenstreit ist ein kreativer Kopf, dem so schnell nicht langweilig wird. Ach ja: und Erfinder/Verkörperer der Kunstfigur „Sir Tralala“, unter dessen Namen er bereits zwei Alben veröffentlicht und zahllose Konzerte in diversen Kontexten absolviert hat, ist Hebenstreit auch noch. Ich treffe David, den ich flüchtig noch von früher, als wir beide noch in Klagenfurt gewohnt haben kenne, auf das eine oder andere Bier im Café Stein.

Aktuell steht für ihn die Berlinale an – da hat er für einen Film die Filmmusik geschrieben und produziert – bevor wir allerdings darauf zu sprechen kommen, gilt es ein wenig über die Figur „Sir Tralala“ zu sprechen. Der ist ihm „2004, 2005“ eingefallen, den Sir bezeichnet er in der Presseinfo als „digitalen Krachschläger und analogen Herzensmasseur, Eigenbrötler und Entertainer, Multiinstrumentalist und Generaldilettant, Weird-Folk-Genius und größenwahnsinnigen Komponistenschelm“.

Die Figur „Sir Tralala“

David Hebenstreit: „Es fließen auch ziemlich viele persönliche Sachen rein in die Person Sir Tralala, aber man kann sich natürlich leichter austoben innerhalb einer solchen Figur. Als Sir Tralala mache ich verschiedene Sachen, ich steh alleine auf der Bühne, hab jetzt auch eine Band – die Golden Glanders. Es ist schon ein Hauptprojekt. Sonst mache ich unter anderem Filmmusik, wo ich als Komponist und Produzent tätig bin – das ist dann der David Hebenstreit und nicht der Sir Tralala, der dafür verantwortlich ist“.

Was aber geht als „Sir Tralala“, was außerhalb der Figur nicht ginge?

„Ich kann alles, was ich als Sir Tralala machen würde, auch als David Hebenstreit machen – weil du auf der Bühne ja eh alles machen kannst (lacht) – wenn du die Bühne als etwas experimentelles siehst, als Ort wo du Gedanken ausprobieren kannst und dann auch ein wirklich direktes Feedback bekommst. Ich habe nicht das Gefühl Grenzen ausloten zu müssen – interessant ist die Bühne für mich, weil ich als Kunstfigur in eine ganz andere Rolle schlüpfen kann. Eine Kunstfigur ist halt eine Kunstfigur – wenn du einen Krimi schreibst, kannst du als Erzähler ja auch zum Beispiel in die Rolle des Mörders schlüpfen. So mach ich das als Sir Tralala auch bei der Musik, und ich möchte mich da nicht auf konkrete Themen festlegen. Das überlege ich mir kurz vorher, wie gehe ich mit einem bestimmten Thema um, wie verarbeite ich das aus der Sicht von Sir Tralala. Es lässt eben viel Rahmen zum Experimentieren zu. Die Grenzen sind ja trotzdem fließend, aber der Sir Tralala steht auf der Bühne, und das ist eine virtuelle Geschichte. Ein Sir Tralala geht jetzt nicht spazieren und schreit irgendwelche Menschen an. Die Figur findet nicht nur auf der Bühne statt sondern in einem popkulturellen Kontext der sich eben auch wo anders abspielt“.

Nach gut 500 Konzerten hält sich das Lampenfieber natürlich mittlerweile in Grenzen:

„Mittlerweile ist das nicht mehr so schlimm, ich hab ingesamt an die 500 Konzerte gespielt und wenn du irgendwann auf der Bühne solche Erlebnisse gehabt hast wo du dir denkst‚ ärger und tiefer als das geht’s nicht mehr’ (lacht), dann denk ich mir, was soll mir noch passieren. Es kommt natürlich immer darauf an, in welchem Kontext das stattfindet. Wenn du wo spielst, wo eh alle angsoffen sind, wollen die natürlich dass da etwas passiert, dass da jemand die Sau rauslässt – in einem anderen Kontext kannst du gewisse Sachen nicht machen. Wobei, du kannst schon, wenn du es bewusst einsetzt, wenn du provozieren willst oder musst, wenn’s halt notwendig ist, politisch vielleicht“.

Escaping Dystopia – von Albumproduktion und Schauspielerei

Bei den letzten zwei Alben war er als Multiinstrumentalist für beinahe alles verantwortlich, erzählt er mir:

„Ich hab alles selber gemacht, nur bei einem Lied hatte ich eine Gastsängerin, das hätte ich nicht hinbekommen (lacht), so hoch komm ich nicht rauf. Es war eigentlich auch ein Konzeptalbum, ich habe mir ein bestimmtes Instrumentarium zurechtgelegt, bestimmte Kompositionstechniken, und auch vom Inhaltlichen her ist es sehr konzeptionell: es fängt mit „dem Buam sei Gruabn“ an, ein ziemliches Depressionslied und endet dann mit „Escaping Dystopia“. Es gibt in dem Album eine Entwicklung, auch innerhalb der Figur. Vielleicht geht es mir ja gerade im wirklichen Leben gut und die Kunstfigur singt 50 Konzerte lang von irgendeinem Heroin oder irgendwelchen schlimmen Sachen. Klar, dass es mir selber nicht so geht. Aber ich muss das rekonstruieren können – auch emotional. Dann war das ein super Konzert. Ich muss das schon schauspielerisch rüberbekommen. Das sollte man als guter Schauspieler schon abrufen können. Wenn ich alleine auf der Bühne stehe ist das natürlich viel einfacher, weil das ist dann eine anarchistische Gradwanderung, wo es ziemlich schwankt zwischen Klamauk, wenn ich lustig aufgelegt bin, und dann in ein trauriges Lied reinkippen muss, und mich reißt’s dann zurück und ich mach einen Schmäh… das is eine bipolare Störung auf der Bühne, aber dafür wird’s nicht fad."

Ein gesteckter Rahmen, wo jeder seine Freiheiten hat. So wie beim A-Team.

Mittlerweile ist Sir Tralala mit den Golden Glanders auch im Bandkontext unterwegs.

„Es ist schon wichtig, dass man einen gewissen Rahmen vorgibt, aber in dem Rahmen muss jeder seine Freiheiten haben. So wie beim A-Team (lacht). Es funktioniert gut, auch weil bei uns einfach jeder seinen Charakter hat. Es sind halt meine Songs, die ich reinbringe, aber wie wir es umsetzen: da gibt schon jeder seinen eigenen Senf dazu und nur so ist es interessant. Ich bin kein Bandfaschist, der alles bestimmt, meine Aufgabe ist, zu schauen, dass es ausgeglichen ist, dass sich jeder einbringen kann. Es ist eine Gruppendynamik wie das klingt und das ist gut so: weil da werden Energien frei, und das ist für’s Publikum interessant. Mittlerweile sind wir aber eh schon sehr zivilisiert, auch wenn’s gelegentlich noisige Teile gibt, wo wir dann doch die Sau rauslassen. Wenn Leute ein Projekt zusammen machen, gibt es eine Gärungs-und Klärungsphase, bis sich alles rauskristallisiert. Wenn das aber eingespielt ist, macht es einfach viel Spaß. Und mir macht’s mit Band mittlerweile viel mehr Spaß als alleine zu spielen."

Sir Tralala, Fuckhead, Naked Lunch und die Gegenreformation

Hebenstreit arbeitet kontinuierlich und gerne auch in verschiedenen Kontexten – von Musik im popkulturellen Kontext über Filmmusik bis hin zu

„Im Sommer singe ich in Kärnten bei einer Oper mit im Rahmen der Landesausstellung 2011. Diese befasst sich mit der evangelischen Kirche, ich bin zwar selbst nicht religiös und nicht in der Kirche, aber mich hat Religion schon immer interessiert. Das Thema ist die evangelische Gegenreformation. Soll ich mehr erzählen? Wart, ich schau in mein schlaues Buch“.

Er zieht ein kleines Notizbuch im schwarzen Lederumschlag aus der Tasche, zeichnet mir die Bühnensituation auf und erzählt:

„Das findet einer kleinen Kirche in Fresach statt und auf der Bühne stehen Schauspieler, unter anderem der Didi Bruckmayr von Fuckhead und ich (lacht). Und Naked Lunch musizieren eben. Der Didi Bruckmayr ist quasi die Verkörperung von etwas philosophischem, das im Stück rauskommt, quasi verköpert er das Thema der Inquistion und Sir Tralala auf der anderen Seite verkörpert quasi das Volk. Produziert wird das ganze von der Neuen Bühne Villach“.

Für den Film „Die Vaterlosen“ von Marie Kreuzer, der derzeit auf der Berlinale und anschließend auf der Diagonale gezeigt wird, hat Hebenstreit die Filmmusik geschrieben und produziert.

“Ich habe von einer Regisseurin und Drehbuchautorin das Drehbuch zu lesen bekommen mit dem Auftrag, die Filmmusik dafür zu machen, was für mich natürlich sehr spannend war, weil ich sonst eher gewohnt bin, mir meine Projekte selbst zu schaffen. Es war neu, weil ich ja quasi Gebrauchsmusik gemacht hab für den Film, Popmusik: gar nicht so sehr als Score, sondern wirklich Lieder, die dann eben verwendet werden. Dieser Prozess war für mich sehr interessant, weil ich’s nicht wirklich gewohnt war, nach Vorgaben zu arbeiten: dieser Produktionsprozess war für mich Neuland. Zum Teil war der vorgegebene Rahmen spannend: Wenn es gewünscht ist, schreib einen Schlager und lass ihn so oder so klingen.  Das war schon spannend. Auf der anderen Seite war da natürlich ein gewisser Druck da, dem zu entsprechen“.

Zu guter letzt sei auch noch auf des Sirs Clubabend „Popkultur Gemüsebeet“ im Rhiz verwiesen:

„Das hat sich ergeben, als ich mit einem Freund einen Abend aufgelegt und ein bisschen live gespielt habe. Dann haben wir uns gedacht, veranstalten wir einmal eine Band und nennen das Popkultur-Gemüsebeet. Das Ziel war einen Club-Abend zu entwickeln, der zwar ein Stammpublikum hat, wo wir aber auch immer mal eine Band einladen können und keinen Eintritt verlangen, weil uns der Club das Budget dafür gibt, unbekannte Bands zu holen und denen eben eine Struktur und ein Publikum geben zu können, wo Leute hinkommen, die die Band vielleicht auch nicht kennen“.

Um es ihm mit einem Zitat seiner Homepage zu wünschen: „Möge die Macht des Rock’n’Rolls ihm wohlgesonnen sein“.

(Foto: David Murobi)

Markus Brandstetter

Geschichten rund um den Song Noir. Von strauchelnden Protagonisten, Mythen und Mixtapes.

7 Kommentare

  1. Patrick

    10. Februar 2011

    Tolles Interview
    scheint ein lustiges Kerlchen zu sein der Sir.

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  2. Maurin W.

    10. Februar 2011

    Ich bin großer Fan
    von ihm. Finde interessant, was er da zu sagen hat.

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  3. Fragend in die Runde blick

    10. Februar 2011

    Was will er uns damit sagen:
    W…obei, du kannst schon, wenn du es bewusst einsetzt, wenn du provozieren willst oder musst, wenn’s halt notwendig ist, politisch vielleicht“. Wie politisch?

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  4. brandstetter

    10. Februar 2011

    @fragend in die runde blick
    Politisch eben im weiteren Sinne, weg vom tages- oder parteipolitischem. Eben etwas bewusst zu dekontextualisieren – so habe ich das aufgefasst.

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  5. Razorblade

    11. Februar 2011

    Multitalent
    Herr Tralala aka. David Hebenstreit scheint ja ein echtes Multitalent zu sein.

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  6. provo

    12. Februar 2011

    politisch ?
    provokation stösst ja (bewusst eingesetzt) an, damit sich die leute gedanken machen über etwas.

    soll ja auch sowas wie politisches theater geben.

    obwohl ich nicht denke dass sir tralalas konzerte konkret politische hintergründe haben, ich hab mal nach einem konzert mit ihm diskutiert und er hat gemeint "lassts mich in ruhe mit dem sch..s, ich bin entertainer, kein politiker".

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  7. brandstetter

    13. Februar 2011

    @provo
    danke für Deine Stellungnahme – genau so würde ich das auch sehen. Natürlich ist man als Schreiber, gerade wenn es um längere Gespräche geht, so wie es das zwischen David und mir war, für diverse Kürzungen verantwortlich – ich habe gehofft, dass bezüglich des Politischem genau das, was Du gesagt hast, aus dem Kontext ersichtlich ist. Vielleicht hätte ich das etwas mehr rausheben sollen, weil David genau das auch impliziert hat: dass es konkret politische (sprich aktuelle/parteipolitische/spezifische) hintergründe einfach nicht gibt, das ganze aber (alá skunk anansie, yes it’s fuckin’ political) natürlich bis zu einem gewissen grad immer politisch ist. danke für Eure Postings und Rückmeldungen!

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