18. Januar 2011

Medienfreiheit da und dort

Stellt euch vor es gäbe stadtbekannt und wir dürften keine kritischen Beiträge mehr auf unserer Seite veröffentlichen. Es würde recht leer auf der Homepage werden und sowohl euch als auch uns wäre wohl bald sehr fad.

Diese Gefahr bestünde ernsthaft, wäre stadtbekannt in Budapest. Dort führt nämlich seit Jahresbeginn eine nationale Medien- und Infokommunikationsbehörde (NMHH) die gesamte inländische und nach ihrem Willen sogar ausländische Medienwelt am Gängelband.
Die Behörde darf Verordnungen und Urteile ohne parlamentarische Kontrolle erlassen und das wegen äußerst schwammig definierter Tatbestände wie einer "Beleidigung des Ungarntums". Durchgegriffen werde auch, wenn irgendeine ethnische, konfessionelle oder sonstige Minder- oder Mehrheit beleidigt wird. Eine Hauptabteilung für Inhalt-Überwachung achtet auf die Wahrung der Werte der Familie und der öffentlichen Moral. Bei Verstößen drohen Maßnahmen wie Hausdurchsuchungen und im Verurteilungsfall können Geldbußen bis zu 90.000 Euro ausgesprochen werden, Summen die Medien oder Journalisten in ihrer Existenz gefährden können.

Zentralisierung, Knebelung

De facto enteignet wurden die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten bei ihren Vermögen, ihren Archiven und Programmproduktionen, die einem regierungskontrollierten Programmservice-Fonds unterstellt wurden. Ihre Nachrichten werden künftig vollkommen zentral von der Nachrichtenagentur MTI produziert. Und an allen Schalthebeln der neuen Mediendiktatur sitzen natürlich Parteigänger der mit absoluter Mehrheit herrschenden Partei von Staatschef Viktor Orban. Eine reale Dystopie, ein Eingriff in die demokratischen Freiheiten von unvorstellbarem Ausmaß.
So etwas wäre in Österreich nicht möglich, doch wie weit ist es in unserem Land mit der Medienfreiheit her?

Ein Blick auf die Zahlen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg aus dem Jahre 2009 ernüchtert. So wurde Österreich in den zehn Jahren zwischen 1999 und 2009 satte 24 Mal wegen Verstößen gegen die Meinungs- und Pressefreiheit verurteilt. 24 Urteile heimischer Gerichte gegen Medien wurden also kassiert. Damit liegt man, und nun müssen alle Retter des christlichen Abendlandes ganz stark sein, auf Platz zwei der Rüffel-Liste hinter der Türkei. Gäbe es also keine europäische Türkei, so würde Österreich gar den Spitzenplatz belegen. Keiner auf den man stolz sein kann, kein Ruhmesblatt also für die bereits wegen vieler Aktionen, aber auch Unterlassungen stark in die Kritik geratene heimische Justiz, die
kritische und unabhängige Berichterstattung gerne mit einer gerichtlichen Verurteilung quittiert. Nur am Rande sei hier erwähnt, dass nach einer vom Nachrichtenmagazin "profil" vergangenes Jahr in Auftrag gegebenen Umfrage 14 Prozent der Menschen Vertrauen in die Justiz haben, während 82 Prozent angeben kein Vertrauen in die Justiz zu besitzen.

In Österreich pfui, in Straßburg nicht

Doch welche Urteile waren es, die der österreichischen Justiz aufgehoben wurden?
Im Jahr 2001 beispielsweise klagte der ehemalike Ski-Fahrer Stephan Eberharter gegen eine, im Gesamtkontextes einer humoristischen Betrachtung der Reaktionen, auf den schweren Unfall von Herrmann Maier vom Profil-Journalisten Rainer Nikowitz geäußerten Vermutung über die wahren Gedanken des Team-Kollegen zu diesem Vorfall.  ( Zitat aus dem damaligen profil-Artikel: „Auch Maiers lieber Freund Stefan Eberharter musste was sagen und er entschied sich vermutlich im letzten Moment gegen: ,Super, jetzt gwinn ich endlich auch einmal was. Hoffentlich prackt´s den miesen Hund mit den Krücken hin, und er bricht sich den anderen Haxen auch noch´.“)

Die vom Oberlandesgericht bestätigte Verurteilung wegen übler Nachrede wurde ebenso aufgehoben wie die gegen einen Kurier-Journalisten, der wiederum ein echtes Zitat aus einem offenen Brief des Künstlers Andre Heller veröffentlichte, in dem dieser verschiedenen FPÖ-Politikern unter anderem Niedertracht vorwarf. Das sind nur zwei von vielen anderen Beispielen.

So kann man die Medien-Situation in Österreich in keinster Weise mit der ungarischen Vergleichen, doch macht es trotzdem nachdenklich, dass hier schon die momentane Gesetzeslage reicht, um mißliebige Berichterstattung teilweise zu unterbinden.

1 Kommentar

  1. Jeanne d’Arc

    18. Januar 2011

    Es lebe die Pressefreiheit!
    Vielen Dank für diesen, wenn auch in Teilen recht komplex formulierten, hintergründigen Beitrag.

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