8. August 2011

Kunst, Quatsch und Patriotismus

In Wien gehen wieder einmal die Wogen hoch. In verschiedenen Zeitungen und Foren wird momentan ein Thema heiß diskutiert: über die Kunstaktion „Hamam statt Daham“ des Kollektivs „Dolce & Afghaner“, die letzte Woche im WUK stattfand.

Beziehungsweise, diskutiert ist eigentlich ein falscher Begriff, denn von einer Diskussion kann eigentlich keine Rede sein. Einseitige, verallgemeinernde und unreflektierte Polemik ist wohl eher die richtige Bezeichnung.

Hamam statt Daham vs. Daham statt Islam

Wer über die Kunstaktion im Unklaren ist, sei kurz aufgeklärt: Das Künstlerduo erzählt die Legende über die Entstehung der Österreich-Flagge bei der Eroberung Akkons durch Herzog Leopold nach: „Beim dritten christlichen Kreuzzug schlachtete er so viele Moslems, dass seine weiße Kutte ganz rot vom Moslemblut war. Als er den Gürtel abnahm, entdeckte er einen Streifen sauberes Weiß. Here YU GO, und die Österreich-Fahne war geboren. Fuck that! Das ist nicht Österreich, das ist Scheiße. Auf so ‘ne Story und so ‘ne Fahne kann man nur pissen.“ Auf dem Plakat sind dann auch ein paar Leute abgebildet, die in den Teich vor der Karlskirche urinieren. Der Kreuzzug von einst wird mit dem (hauptsächlich von der FPÖ initiierten) Kreuzzug gegen die Moslems von heute gleichgesetzt: „Mit diesen Terroristen, wird nicht verhandelt. Auch nicht mit den Millionären und ArbeiterInnen-Verrätern der FPÖ." Mit dem Titel „Hamam statt Daham“ – eine Variation des Slogan „Daham statt Islam“, mit dem die FPÖ im Jahr 2005 auf Plakaten und Anzeigen gegen Ausländer in Österreich hetzte, – ironisieren die beiden Künstler den Text und die Abbildung.

Natürlich ist es radikal und natürlich ist es provokativ und Reaktionen solcher Art waren wohl zu erwarten, auch für die Künstler. Kunst dieser Form verlangt mehr nach Auseinandersetzung auf einer intellektuellen, denn auf einer rein emotionalen Ebene. Dass aber gerade letzteres meist eintritt, zeigt die „Qualität“ der Beiträge zu der Kunstaktion: meistens wird nach schwarz-weiß-Kriterien diskutiert, sprich „ist es Kunst oder Nicht-Kunst?“, ohne jedoch die den Arbeiten immanenten Aspekte zu berücksichtigen. Auch das „Kunst kommt von können“ hat in Zeiten der Postmoderne ausgedient und ist somit als Argument nicht mehr haltbar. Der unvermeidliche Ruf „.. und das mit meinen Steuern“ lässt natürlich auch nicht lange auf sich warten. Interessanterweise wird – wie meist bei emotionalen Entleerungen – alles vermischt, was es zu vermischen gibt: Kunst mit Immigranten, Ekel mit Subventionen, Patriotismus mit Rassismus und auch Griechenland muss als Referenz herhalten.

Was will, kann, soll Kunst leisten?

Wenn so etwas eintritt, was ja leider oft passiert, werden immer wieder diese Fragen gestellt: was will, kann und soll Kunst leisten? Die Antworten auf diese Fragen lassen sich nicht einfach beantworten, schon allein, weil es „die Kunst“ nicht gibt. Kunst – und vor allem zeitgenössische Kunst – ist aufgesplittet in viele Facetten, die sich nicht leicht unter einer Hausnummer subsumieren lassen. Oft liegt künstlerischen Arbeiten, so auch bei „Dolce & Afghaner“, ein Verständnis zugrunde, das politisch-soziale Gegebenheiten reflektiert, auf Veränderungen der Arbeitswelt und der kulturellen Selbstorganisation, auf die Kunstwelt per se oder auf subjektives Empfinden Bezug nimmt.

Natürlich lässt sich die Qualität jedes künstlerischen „Produktes“ diskutieren. Warum finden die Besucher des Belvedere Klimt so toll, warum die Besucher des Leopold Museums Schiele? Und warum fühlen sich viele Menschen von zeitgenössischer Kunst oft derart provoziert? Innerhalb des konventionellen Kunstbetriebs bleiben Provokationen ja eher folgenlos, weil auf einer argumentativen Ebene diskutiert wird. Das Problem, das sich hieraus ergibt, ist, dass Kunst meist nur von einem kleinen Kreis von Leuten rezipiert wird. (Noch) Mehr Vermittlungsarbeit wäre vermutlich ein guter Ansatz. (Barbara Pflanzner)

Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit
Was meint ihr? Was kann, soll und kann Kunst leisten?

Link zum WUK
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2 Kommentare

  1. Hm

    26. Juli 2011

    und wo finde ich dieses Plakat
    Könnt ihr das verlinken oder in den Artikel einbauen? der Text liest sich interessant aber auch das Original wäre spannend.

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  2. barbara pflanzner

    26. Juli 2011

    plakat
    das plakat ist als titelbild auf der facebook-page (siehe link) – aber danke für den hinweis, ich bau den link zum wuk auch noch ein!

    Reply

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