9. Februar 2011

Keine “Nette Leit Show”!

Fassen wir es einmal zusammen. Vor Gericht stehen soll die (Tier-)Mafia. Bald gibt es den siebzigsten Verhandlungstag.
Die Angeklagten stehen seit fast einem Jahr vor Gericht. Und herausgekommen ist bis jetzt nicht viel.

Was sich zur Zeit am Landesgericht in Wiener Neustadt abspielt würde wohl selbst Samuel Beckett, einem profilierten Vertreter des absurden Theaters, Tränen in die Augen treiben. Doch statt auf Godot wartet man hier auf die kriminelle Organisation. Eine solche zu sein nämlich wirft die Staatsanwaltschaft den Beschuldigten aus verschiedenen Tierrechtsorganisationen wie dem Verein gegen Tierfabriken (VGT) und der Basisgruppe Tierrechte (BAT) vor. Zimperlich geht es dabei nicht zu. Entlastungsmaterial soll unterdrückt worden, Akten der Verteidigung erst möglichst spät zugänglich gemacht worden sein. Eine verdeckte Ermittlerin tauchte erst zufällig, auf Nachforschung der Verteidigung, in den offiziellen Akten schwieg man sich über sie aus, und wusste anschließend keine wirklich belastenden Aussagen zu machen und nun erscheint plötzlich eine zweite von der Polizei angeworbene "Vertrauensperson". Diese soll laut News-Bericht wegen mehrerer Strafen bereits polizeibekannt gewesen sein. Die Spitzeltätigkeit dürfte sie von einem Teil der Strafen befreit haben mutmaßt der Standard.

"Der Process"

Auch sonst legte sich die Polizei ordentlich ins Zeug. Es wurde per Video und Online-überwacht, verwanzt, beschattet, verdeckte Ermittler eingeschleust, es wurden Peilsender installiert, Gegenstände und Daten beschlagnahmt und Menschen monatelang in Untersuchungshaft genommen.
Und herausgekommen ist auch damals nicht viel. Und mit diesem nicht viel will man nun heute Menschen, denen man augenscheinlich persönlich keine oder zu geringe Straftaten nachweisen kann, verknacken, indem man sie als kriminelle Vereinigung präsentiert.

Recht passend dazu präsentiert sich auch die Richterin in ihrer Prozessführung. Dass die "Spitzelin" Danielle Durand wenig
belastendes über die Tierschützer zu berichten wusste passte augenscheinlich schwer ins Konzept. Nicht anders kann man es sich erklären,
dass die Richterin das Fragerecht der Verteidigung an die Zeugin in einem Ausmaß beschnitt, dass es Justizexperten die Zornesröte ins Gesicht treibt.
"Mir scheint, dass hier eine österreichische Richterin (irrtümlich) glaubt, sich nicht fürchten zu müssen, in aller Öffentlichkeit mit den Angeklagten und ihren Verteidigern so zu verfahren, als seien sie Saboteure", meinte etwa Petra Velten vom Institut für Strafrechtswissenschaften der Uni Linz im Standard. Die Öffentlichkeit scheint es den Prozessverantwortlichen ohnehin nicht sehr angetan zu haben. So besetzen oft wie zufällig Gruppenweise Polizeischüler die Zuschauerplätze im Gerichtssal. Für Journalisten, Angehörige der Angeklagten und Prozessbeobachter bleibt dabei leider oft wenig Platz.

Richtige Fragestellung

Ähnlich kritisch gegenüber dem Verfahren äußerte sie sich auch in der Club 2-Diskussion zum Thema "Wie weit dürfen Tierschützer gehen?".
Im Laufe der Sendung kam auch endlich sinngemäß die Frage aufs Tapet um die es schlussendlich geht "Stehen hier Menschen wegen der von ihnen nachweislich Begangenen Straftaten vor Gericht oder stehen Menschen vor Gericht die sich in ihren Tierschutzaktionen mutmaßlich unangemessen, gemein und moralisch fragwürdig verhalten haben?".
Denn ob man mit den Zielen und den Methoden der angeklagten Tierschützer übereinstimmt oder nicht, ob man sie für nette Leute hält oder nicht, das ist eine gesellschaftliche Debatte und sollte nicht Inhalt eines Gerichtsprozesses sein.

2 Kommentare

  1. fehlerteufel

    4. Februar 2011

    errata
    die 10 waren nicht "wochen" sondern 3 1/2 MONATE in U-Haft

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  2. stadtbekannt

    9. Februar 2011

    erratum
    das stimmt natürlich, danke für den hinweis.

    Reply

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