13. Oktober 2011

Hipsters – vom 40er Jahre Bebop bis Steve Urkel

Anlässlich des vor kurzem begangenen Hipster-Awareness Days widmen wir uns heute dem Phänomen aus einem fragenden Blickwinkel: Hipster, was ist das und gibt es das überhaupt?

Pop will eat itself: es ist schon ein weiter und recht gewagter Bogen von Jack Kerouac zu der 2011er Nerd/Hip Symbiose eines Steve Urkels – jener, von den angelheaded Hipsters im sternenklaren Dynamo der Nacht ins Ginsbergs „Howl“ zu denen jenen oft schnurrbärtigen Protagonisten des superpostmodernen Nerdismus-Ironiefetschismus. Und nachdem (vielleicht nicht ganz) Wien vor kurzem den Hipster-Awareness Tag gefeiert hat, und keiner so richtig genau weiß, was jetzt Hipster ist und was nicht, widmen wir uns noch einmal diesem Phänomen, gehen ihm ethymologisch und pophistorisch auf den Grund und überlegen uns dann, ob wir es nicht in die Schublade reintun wo auch der Bobo seit langem drin sitzt und eh nicht mehr so richtig rauswill, vielleicht weil ihn auch keiner mehr raushaben will.

Godfathers, the Bebop Cats

Und wie wir so da sitzen in der Redaktion und über ein Bild auf Facebook lachen, auf dem zweimal das gleiche Foto von Steve Urkel zu sehen ist, aber einmal mit 90’s Nerd und einmal mit 2011 Hipster betitelt, startet eine Diskussion über das H-Wort, beinahe ein Unwort, bei dem das Groß der Menschen ein wenig angewidert die Stirn runzelt. Gibt es sowas wie „Hipster“ noch, gab es das überhaupt, hat das eigentlich mit früheren Versionen noch etwas zu tun und ganz wichtig, wenn – wie das Foto ja richtig aussagt – der Nerdismus der 90er die ironiegetränkte Coolness-Überlegenheit der heutigen Zeit ist: was könnte dann als nächstes die Umdeutung von „no-go“ zu „hipster!“ erfahren?

Gemeinhin bekannt ist ja – und da zu sehr ins Detail zu gehen wäre müßig – dass zumindest das Wort „Hipster“ aus dem US-Amerikanischen Jazz der 1940er Jahre kommt, allen voran aus dem Bebop, und somit ursprünglich durchaus eher afroamerikanisch war, aber natürlich nicht darauf beschränkt blieb. Die Hipster, die auch Kerouac so liebte, das waren die „cats“ mit Kontrabässen und Trompeten in der Hand und den Zigaretten im Mund, dort in den Clubs, immens selbstfokussiert. Die Beats, die später zu den Beatniks wurden, verkörperten das dann in ihren Biographien auch recht gekonnt. Und weil die Hippies die kleinen Beats waren, die Kinder quasi, nannte man sie dann auch konsquenterweise verniedlichend wie auch wohl ein wenig abschätzend so.

2011 und die Ironie-Geschichte

Und jetzt könnte man sich wirklich ans Dekonstruieren machen und sich darüber ärgern, dass Derrida nicht mehr lebt und dass er sich, genausowenig wie auch Focault, um das alles gekümmert hätte. Oder sich ein wenig schämen, dass man nicht darum herum kommen wird, das Wort „Ironie“ erneut als Rahmen herzunehmen.

Männlich, weiß, recht jung und sehr ironisch. Die Ironie ist eh bereits eingesessen, die haben wir spätestens seitdem popkulturell gebraucht, seit wir die Achziger verdauen haben müssen. Die Begrifflichkeiten, Konzepte und Signifikat/Signifikant Dualität (siehe: poststrukturalistische Popanalyse, oder so ähnlich – Klugscheißer like us, baby we are born to run) ändern sich. Vor einer Dekade waren Nerds noch eher unanstrebenswerte Zeitgenossen, deren Styleverhalten eher als aus fragwürdigem Geschmack und anderer Interessensgewichtung entstanden gedeutet wurden. Und hier war der Paradigmenwechsel der Geschmacksrezeptoren natürlich auf Ironie gebaut, zumindest ist das anzunehmen.

Hat man also früher jene Zeitgenossen mit Riesenplastikbrillen, Schnauzbärten und dergleichen eher belächelt, so rechnet man ihnen heute einen dezidierten Underground-Musikgeschmack und eine gehörige Brise lethargischer Coolness zu. Zumindest tun sie das selber. Die Ironie, die lässt also Mittzwanzigern derartige Flügel wachsen, dass sie Schnauzbärte – früher als Bastion von Polizisten, Pornodarstellern und Bierzeltbewohnern verschrien – mit Stolz durch ihr Hipsterleben tragen.

Wohin führt die Ironie?

Es gibt zwei Möglichkeiten, so zumindest der Konsens unserer Bürodiskussion, über das Fortleben des Hipstertums. Bleibt die Ironie erhalten, wovon auszugehen ist, ist es mein persönlicher Tipp, dass als das nächste große Ding die 1980er-Miami Optik eine große Renaissance feiert. Der Schnauzbart bleibt, das Brusthaar wird obligat, Stilikone nicht mehr Urkel sondern die maskulinen TV-Ikonen der 80er-USA sein. Andere wiederum denken, dass das Batik-Shirt die nächste große ironische Welle wird. Vielleicht wird es aber das nächste große Hipster-Ding, unironisch zu sein.

Ob der 1940er Bebop-Hipster mit dem 2011-Scenester zufrieden wäre, ist so zweifelhaft wie auch egal, das Wort ist dasselbe. Die Urkelisierung des Geschmacks ist Sache des Zweiteren – wir sind gespannt wohin die Hipsterreise noch führt.

1 Kommentar

  1. ava asar

    14. Oktober 2011

    Hipster sind überall
    Hier hat sich jemand an Berliner Hipstertum die Kamera wundgescheuert:
    http://stickydelight.wordpress.com/2011/10/09/hipster-lomo/
    Manchmal fragt man sich, ob nicht inzwischen jeder ein wenig Hipster ist.

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