30. April 2013

Gib Gummi!

Viel wurde schon im Vorfeld gelästert: ein Fest von Proleten für Proleten, eine sinnlose Sauftour für Spätpubertierende, inklusive Anrainerbelästigung und Sachbeschädigung, und dass Kärnten eh der richtige Ort für derlei wäre. Fakt ist wohl: das jährliche GTI-Treffen ist Inbegriff von testosterongeladener Macho-„Kultur“ wie sie im Buche steht. Gogo-Girls und Gummi-Show, Jungs und Jägermeister. Aber was ist dahinter? 

Der Golf GTI ist mittlerweile über 35 Jahre alt und macht die Straßen von Europa unsicher. 810kg Eigengewicht und 110PS (ohne das heute vor allem bei eben jenem Treffen obligatorische Tuning!) verschafften der Kiste immerhin beinahe 200km/h Spitzengeschwindigkeit – kein Wunder also, dass das Auto Emotionen weckt. 

Warum ausgerechnet am Wörthersee?

1982 hat Nikolaus Lanner, der damalige Bürgermeister von Maria Wörth, das Treffen in Reifnitz ins Leben gerufen – aus Liebhaberei: 85 Teilnehmer kamen zum ersten GTI-Treffen. Das Monster, das er damals schuf, ist ordentlich gewachsen: Auch dieses Jahr erwartet man wieder über 150 000 Besucher und Tuning-Fans. Mittlerweile stecken hinter dem Mega-Event einige Sponsoren: allen voran natürlich VW selbst. Dadurch wird den Besuchern aber auch ein abwechslungsreiches Programm geboten: Der Konzern stellt seine Neuheiten vor, es gibt Auto-Zubehör-Stände, einen Autowaschplatz und als Unterhaltungsprogramm eine Stunt-Show und zahlreiche Parties. Aber im Zentrum des Events stehen natürlich die getunten Flitzer selbst.

Wirtschaftsfaktor Wörthersee

Klarerweise ist das ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor für die Region: ohne das Festival müssten allein in Reifnitz bis zu 50 Betriebe zusperren, von 20 Millionen Euro Wertschöpfung in der Region wird berichtet. Ob da die zahlreichen Strafzettel und Anzeigen schon dabei sind, die die Kärntner Polizei jedes Jahr an Geschwindigkeits- und Gummi-süchtige GTI-Fahrer verteilt? Wir wissen es nicht.

Aber auch wenn gequälte Anrainer nicht gerade glücklich über die Belästigung durch den alljährlichen Vandaleneinfall sind, und auch wenn man auf die „Auto-Proleten“ gerne herunterschaut: viele der GTI-Fans sind doch einfach harmlose Bastler, die ihrem schrulligen Hobby eben mit viel Liebe und Hingabe nachgehen. Verschwendete Energie, irgendwo zwischen Modelleisenbahn und Briefmarkensammeln – nur mit mehr Action. Und dass dort Einiges an Alkohol vernichtet wird, kann man den Herrschaften eigentlich auch nicht so wirklich vorwerfen: auch beim FM4 Frequency gehört der Exzess zum Programm. (rmd)

Foto: Granitdenkmal in Reifnitz anlässlich des fünfjährigen Jubiläums des Treffens.

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