26. November 2011

Frohe Weihnachten euch allen! Außer den Augustinverkäufern…

Seit Mitte November haben die Weihnachtsmärkte in Wien wieder geöffnet. Das freut nicht nur den gemeinen Wiener, sondern vor allem die Geldbörsen der Marktreibenden. Da wird gefeilscht und gehandelt bis auf den letzten Cent, schließlich muss die Kaufkraft der scheinbar von Glitzer und Lametta weichgespülten Konsumenten ja irgendwie auch ausgenutzt werden. Der Markt freut sich und die Konsumenten kommen ebenfalls auf ihre Kosten, eigentlich ja eine Win-Win Situation.

Wären da nicht diese lästigen, oft ausländischen, aber zumindest nicht sehr vertrauenserregend aussehenden Typen, die einem ständig das Gesamtbild der blank polierten Weihnachtswelt vermiesen wollen. Es geht natürlich um die Augustinverkäufer. Diese sind nicht erst seit heuer den Standlern und Organisatoren, aber auch so manchem Besucher der Wiener Chirstkindlmärkte, ein Dorn im Auge. Vor kurzem hieß es dann plötzlich: Auf Märkten wie dem am Rathausplatz oder im Alten AKH müssen Augustinkolporteure draußen bleiben! Das angebliche Verbot des Straßenzeitungsverkaufs hatte für Diskussionen gesorgt. Mittlerweile kannten aber auch die Verantwortlichen ein Einsehen und lenkten ein, ein wenig zumindest.

Die Augustinverkäufer sind laut Akan Keskin, seines Zeichens unter anderem Veranstalter des Wiener Christkindlmarktes am Rathaus, wieder erlaubt. Ob sie erwünscht sind darf wohl bezweifelt werden. Die einzigen Märkte, wo man laut Augustin-Redaktion den Zeitungsverkäufern noch eher positiv gesinnt ist, sind jene Am Hof, im Türkenschanzpark, am Spittelberg, am Karlsplatz und auf der Freyung.

Natürlich wollen auch die Augustinverkäufer etwas vom großen Kuchen des alljährlichen Weihnachtsgeschäftes mitnaschen, vor allem da zu dieser Zeit das Klientel besonders geneigt ist, tiefer in die Tasche zu greifen, und sei es auch nur um das persönliche Gewissen zu erleichtern. Auch wenn es den Augustinverkäufern nun doch wieder gestattet ist auf den Adventmärkten Wiens ihre Zeitung an den Mann respektive an die Frau zu bringen, hat die ganze Sache doch einen sehr fahlen Nachgeschmack. Der Punsch will dieses Jahr irgendwie nicht so recht schmecken. Das hat er zwar noch nie so wirklich, aber heuer schleicht sich auch eine besonders üble Note ein.

Die Frage die sich stellt ist natürlich: Warum stand dieses Verbot überhaupt zur Diskussion? Haben die Betreiber mitsamt ihrer Lobby etwa Angst, sie würden von Heerscharen an Zeitungskolporteuren überflutet werden und ihr Geschäft dadurch Schaden nehmen? Oder wollte man schlichtweg die BesucherInnen „schützen“?

"Wenn Spendensammler, Blumen- oder Zeitungsverkäufer Christkindlmarktbesucher alle zwei Minuten um Geld angehen, ist das inakzeptabel"

…sagt Hannes-Mario Dejaco, seines Zeichens von der Eventagentur MagMag, die unter anderem den Markt im Alten AKH organisiert. Das mag zwar stimmen, aber hätte ich noch nicht erlebt, dass ein Augustinverkäufer derart auf mich zugegangen wäre. Natürlich, wer kennt das nicht: „Biiiieeettescheeen,…..Alleees Guuuute….Fuchzig Cent biiieeeeete.“ Ja es nervt, ja es ist schwer erträglich und ja solche Leute gibt es, aber zumeist sind diese nicht mit Augustin im Anschlag, sondern bieten irgendwelche zerfetzten und abgegriffenen Papierartefakte aus den Altpapiertonnen an. Das sind zumeist Bettler, und das meine ich vollkommen wertfrei. Aber was stutzig macht, ist doch der Fakt, dass hier immer noch kein grüner Zweig zu finden ist, der eventuell auf die Augustinverkäufer schließen lässt. Warum sollten diese nicht auch Teil der Kommerzialisierung einer Tradition und des öffentlichen Raums sein? Ergo, muss es sich mal wieder um das liebe Geld drehen.

Das Fest der Liebe? Von wegen!

Wenn man schon dabei ist, sich dieses scheinbar nicht dem Gesamtbild entsprechenden Übels entledigen zu wollen, warum fängt man dann nicht vor der eigenen Haustür an zu kehren? Ich kann mich schließlich nicht daran erinnern, was Hulk Hogan ( Anm. Wrestling – Ikone, dessen Konterfei von T-Shirts lacht und an den Märkten verkauft wird) mit Weihnachten zu tun hat und auch nicht, dass das Christkind jemals ein Trikot von Christiano Ronaldo getragen hätte. Anstatt sich diese hausgemachten Perversionen der Weihnachtszeit einzugestehen, sucht man sich einen Sündenbock, und da kommt der kleine Augustinverkäufer, der sich vielleicht irgendwie noch an der Schwelle des Existenzminimums und am Rand der gesellschaftlichen Akzeptanz bewegt, gerade Recht.

Ganz nach dem Motto: Eure Armut kotzt uns an!

(Philipp Köstenberger)

7 Kommentare

  1. Nick

    26. November 2011

    Rein nach dem Motto..
    …Eure Armut kotzt uns so an….bringt diese scheinheiligkeit perfekt auf den punkt!

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  2. Gefällt mir sehr gut

    26. November 2011

    Ja ist ein guter Text
    bringt die Sache auf den Punkt.

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  3. Tom

    26. November 2011

    !!!
    OCCCUPY CHRISKINDLMARKT !!

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  4. mollymalone

    26. November 2011

    so viel punsch saufen bis man die armut nicht mehr sieht
    super artikel, danke. seit jahren wird mir von punsch schlecht, und von diesem heuchlerischen kitsch-getue rundherum noch viel mehr. jetzt weiß ich endlich wirklich, warum.

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  5. Punschtrinkerin

    26. November 2011

    ich finde man muss da differenzieren
    jeder augustinverkäufer darf mich gerne fragen, ob ich eine zeitung kaufen möchte (und nebenbei bemerkt: lohnte es sich, den augustin zu lesen, kaufte ich auch einen). wenn jedoch schon vorher 10 von den altpapierklauber-bettlermafia-leuten da waren, dann hat er natürlich einen schweren stand. er macht es sich aber selbst nicht leichter, wenn ich mich partout nicht in ruhe lässt und auch das dritte nein noch nicht akzeptiert hat. auch aussagen wie "die ausgabe haben wir schon" oder "der kollege war schon da" hält die netten damen und herren augustin nicht davon ab, einem einen weiteren minutenlangen sermon von tollen kalendern und cds vorzutragen. dann darf ich als christkindlmarktbesucherin schon mal deutlich sagen, dass ich verdammt noch mal von niemandem heute etwas kaufen möchte. ich kaufe ja auch keine christiano ronaldo trikots.

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  6. dera

    27. November 2011

    Super ehrlich und kritisch
    Super Artikel!

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  7. Aficionado

    5. Dezember 2011

    Ich gebe lieber …
    … drei Euro einem Augustin-Verkäufer als auch nur einen Cent einem der nicht unserer Ethnie angehörigen Menschen (Frau, "Mutter", Kind, Mann) die mir ihr Leid auf einem Blatt oder Karton klagen.

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