1. Dezember 2011

Filmkritik: Ibiza Occident

Elektronische Musik hat Ibiza außergewöhnlich gemacht. Seit in den 80ern das europäische Festlands-Publikum den Balearic Beat für sich entdeckt hat, ist es den Ureinwohnerhippies zu teuer geworden, die auch nur deswegen da waren, weil die tatsächlichen Ureinwohner als sehr tolerant gelten.

Seitdem hat sich einiges verändert: An jedem Tag der Woche gibt es in Ibiza in Unmengen von Riesenclubs Parties mit bis zu 10.000 Gästen, die in ihrer Aufwendigkeit an Musicals erinnern, bei denen getrunken, geraucht, und Ecstasy genommen werden darf. Ein Spektakel aus Musik und Erotik, bei dem jedes Detail Assoziationen mit Lebenslust und Sex hervorrufen soll. Die Anforderungen sind höher geworden, philosophiert der Gründer des Pachaclubs; die Clubszene ist ein Spiegel der Gesellschaft. Alles ist aufwendiger geworden, die Genügsamkeitsspanne des Publikums hat sich verkürzt. Auch die Technoszene scheint davon nicht verschont: früher war anscheinend alles besser. Und doch scheinen auch die alten Granden des Techno mitunter so befremdet von der Industrie, die sie geschaffen haben, wie ihre Altersgenossen außerhalb der Szene: „Die Leute tanzen heutzutage nicht mehr, sie springen nur mehr und wackeln mit den Händen.“

Der Okzident: dort, wo die Sonne untergeht

Aber man muss der Jugend geben, was sie will, findet auch Alfredo. Der gealterte DJ, der zu den Glanzzeiten der Insel jeden Abend auflegte, bespricht mit seinem erwachsenen Sohn bei Bier und Pizza, wie das Set gelaufen ist. Die Saxophonistin Laura erzählt, wie es sie auf die Insel verschlagen hat. Ein ehemaliger Lebemann der Szene schildert, wie er inmitten der Feierei den Unfalltod seines Sohnes verarbeitet. Und das Paar, das seit vielen Jahren wöchentlich die größten Parties der Welt organisiert, erzählt zwischen den Hühnern und Schweinen auf ihrem Bauernhof über die Toleranz der Inselbevölkerung gegenüber der Szene und kichert, als der Regisseur höflich nachfragt, ob es stimmt, that you made love on stage?

 

Die Geschichten zeichnen ein einheitliches Bild aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven. Die Industrie liefert Wunschvorstellungen, die jeder braucht. „Die Erinnerungen der Nacht sind die Wichtigsten im Leben.“ Alle gewinnen. Was die Geschichten zusammenführt, ist gar nicht mal die Musik, die einen im monotonen Gleichschritt das Kino verlassen lässt, sondern die Maschinerie drum herum, die die Einwohnerzahl in den letzten zehn Jahren verdoppelte. Die Branche ernährt mittlerweile die Insel und verschont sie vor einem Schicksal ähnlich dem Rest Spaniens.

 

Der Regisseur Günther Schwaiger mag die Szene in Ibiza, das merkt man sofort. Seine Einstellungen sind nie grotesk oder auch nur unvorteilhaft – sie bleibt auf feiernden Mengen und gutgelaunten Gesichtern, Alkoholleichen oder schief gegangene Drogenerlebnisse bleiben für Ibiza Occident unsichtbar. Er versucht dabei manchmal, dem schönen Bild etwas nachzuhelfen, etwa wenn Dialoge aus dem spanischen in der deutschen Übersetzung intellektuell beschönigt werden. Schade, denn wenn DJ Christian Varela philosophiert, dass manche Tracks einfach gut sind und andere nicht, dann gehört das zum Porträt der Insel einfach auch dazu.

Ibiza Occident kommt am 13. Jänner in unsere Kinos.

 

Maxi Lengger

3 Kommentare

  1. jungerroemer

    1. Dezember 2011

    also jetzt wirklich:
    nicht einmal richtig einbetten könnts ihr, eure artikel sind ja sehr super, aber die technik eurer seite….
    whatsoever, freu mich trotzdem dass es euch gibt 😉

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  2. jungerwappler

    1. Dezember 2011

    1-2-Polizei
    Ah, die Technikpolizei. Hart aber ungerecht. Ungefragt aber unangenehm. Schön, dass es auch dich gibt.

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  3. Günter Schwaiger

    2. Dezember 2011

    Richtigstellung
    Hallo Maxi Lengger. Danke für den Beitrag. Ich muss Sie aber doch um eine Richtigstellung bitten. Ich weiß nicht, wie gut Ihre Spanisch Kenntnisse sind, aber Ihre Behauptung Christian Varela hätte im Film gesagt, “manche Tracks sind gut und manche schlecht “ und ich hätte das „intellektuell verschönert“, stimmt nun wirklich nicht. Sie müssen also entweder nicht genau hingehört oder es nicht richtig verstanden haben. Abgesehen davon wäre so ein Satz für Christian auch viel zu banal. Wenn Sie wollen, schicke ich Ihnen gerne den Originaltext, damit Sie in Ruhe den Inhalt übersetzen und mit den Untertiteln vergleichen können. Gleichzeitig bitte ich Sie um die Rücknahme Ihrer offensichtlich auf ein Missverständnis oder mangelnden Sprachkenntnissen beruhenden Behauptung. Günter Schwaiger

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