3. Mai 2013

Die Pummerin

Wie schmeckt die Pummerin? 

Die mit gut zwanzig Tonnen und über drei Metern Durchmesser größte Glocke Österreichs (fünftgrößte freischwingende Glocke der Welt) passt zu Wien: Sie brummt gelegentlich (man sagt, der Name Pummerin sei aus lautmalerischen Motiven von der Bevölkerung gewählt worden), reißt sich keinen Haxen aus, ist eine gelungene Mischkulanz und besteht zu einem großen Teil aus Zuwanderung. Für ihre Fertigung (1951 im oberösterreichischen St. Florian) wurden die Reste der 1945 aus dem Südturm des Stephansdoms abgestürzten Alten Pummerin verwendet. Die wiederum bestand großteils aus Kanonen, die von den Türken bei der Zweiten Türkenbelagerung 1683 in Wien zurückgelassen wurden, und war um etwa zwei Tonnen schwerer als ihre Nachfolgerin. Sie schmeckt ein bisserl nach Krieg, viel Geschichte und Flickwerk. Das enge Gitter rund um die Pummerin erlaubt keine gustatorische Bestimmung.

Die Pummerin wird nur an wenigen Tagen, aber doch öfter als angenommen, geläutet: Domweihfest (23. April, ca. 19 Uhr 20), Osternachtfeier (ca. 23 Uhr), Ostersonntag (ca. 11 Uhr 50), Pfingstsonntag (ca. 11 Uhr 45), Fronleichnam (ca. 9 Uhr 30 und ca. 11 Uhr 30), Allerseelen (2. November, ca. 17 Uhr 45), Heiliger Abend (24. Dezember, fünf Minuten vor Mitternacht), Stephanitag (26. Dezember, 11 Uhr 50), Jahresschlussandacht (31. Dezember, ca. 17 Uhr 30), Silvester (ebendann, Mitternacht). Außerdem zu besonderen Anlässen (zum Beispiel beim Trauergottesdienst für die Opfer des Seilbahnunglücks in Kaprun) und zu Tod und Wahl eines Papstes sowie Tod und Inthronisation eines Wiener Erzbischofs.

Der Grundstein des Nordturms, in dem die Glocke hängt, wurde erst 1450 gelegt – 303 Jahre nachdem der erste, noch romanische Vorfahre der Domkirche St. Stephan zu Wien geweiht wurde. Er ist entsprechend dem Sonnenaufgang am 26. Dezember, dem Namenstag des Kirchenpatrons, 1137 nach Osten ausgerichtet. Der zweite, frühgotische Bau des Stephansdoms konnte 1263 geweiht werden. Es wurde munter weitergebaut. 1433 war der Südturm vollendet. Um 1500 versiegte der mittelalterliche Bauwahn überall – auch in Wien. Der Nordturm wurde nicht mehr fertiggestellt. Allerdings wurde der Dom auch in den folgenden Jahrhunderten immer wieder um- und ausgebaut. Und wenn nötig, saniert. Die Symbole und (Fassaden-)Details des Doms (Dienstbotenmadonna, Zahnwehherrgott, Tierfiguren von Drachen über Löwen bis Basilisken) sind Zeugen dieser Arbeiten.

In den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges wurde der Dom ramponiert. Allerdings nicht durch Bomben, sondern durch ein Feuer, das Plünderer in gegenüberliegenden Geschäften gelegt hatten. Dachstuhl, Pummerin und Riesenorgel wurden Opfer der Flammen. Eine Stützmauer durchschlug das Gewölbe des südlichen Seitenchors und das eindringende Feuer zerstörte Chorgestühl und Chororgel, Kaiseroratorium und Lettnerkreuz. 1952 konnte der für immer verloren geglaubte Dom, vor allem durch Spenden der ohnehin Not leidenden Wiener finanziert, jedoch wieder geöffnet werden. Heute werden hier an jedem Wochentag sieben, an jedem Sonntag zehn Gottesdienste gefeiert. Die Maße des wichtigsten Wiener Wahrzeichens: 107,2 Meter Länge, 34,2 Meter Breite, 28 Meter Höhe (Langhausmittelschiff). Der Südturm ist 136,44 Meter, der Nordturm 68,3 Meter hoch.


„Darf’s a bisserl mehr sein?“

Weitere Fragen zu Wien und deren interessante Antworten findest du in Wann verlor das Riesenrad seine Waggons? von Axel N. Halbhuber erschienen im Metroverlag.

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