25. März 2013

Der Österreichische Film seit der Jahrtausendwende

Stadtbekannt hat Filme gewählt: Nach dem Doppel-Oscar für Österreich schwimmt der Österreichische Film weiter auf der Erfolgswelle. Wir haben uns überlegt, welche Filme sich seit der Jahrtausendwende sehen lassen können. Hier ist der erste Teil.

"Import Export"

Ulrich Seidls berührender zweiter Spielfilm dreht sich um Sexarbeit, Gewalt, Migration, Ausbeutung und die Unausweichlickeit des Todes. Import Export erzählt zwei parallele Geschichten, die einander an keiner Stelle des Films kreuzen, sondern vielmehr als verschiedene Stationen einer Reise auftreten: Die eine erzählt das Schicksal von Olga, einer ukrainischen Krankenschwester, die in Österreich ihr Glück versucht und schließlich als Putzkraft in der Linzer Geriatrie landet. Die andere handelt von Paul, einem perspektivlosen Sicherheitsmann aus Wien, der aus Geldnot mit seinem Stiefvater in die Ukraine fährt, um dort das große Geld mit alten Spielautomaten zu machen.

Bonjour Tristesse

Seidls Kamera sucht trostlose Schauplätze, wie eine völlig verwahrloste ukrainische Plattenbausiedlung, oder die geriatrische Klinik auf, in der die Patienten vor sich hin vegetierend schon die Hand des Todes auf der Schulter spüren. Gerade wenn man als Zuschauer die Erniedrigungen der beiden Protagonisten zu spüren bekommt und sich an kalte und schwer verdauliche Bilder gewöhnt hat, bricht Seidl diesen Blick wieder durch vereinzelte lustige Augenblicke; eine Kombination die Import Export eine ungemeine Intensität verleiht.

"Let’s make money"

Erwin Wagenhofer zeigt den ganz normalen Wahnsinn des ungezügelten Turbo-Finanzkapitalismus. Von Fondsmanagern, die das Geld ihrer Kunden jeden Tag auf’s Neue anlegen bis zu Unternehmern, die sich in Steueroasen wie Singapur um das Wohl ihrer Aktionäre kümmern; von den Baumwollpflückern in Burkina Faso mit einem Jahresgehalt von 50 Euro, bis zu indischen Hilfsarbeitern, die 200 Euro im Monat verdienen: "Let’s make money" folgt dem Weg unseres Geldes, und zeigt dabei private Geldvermehrung bei gleichzeitiger Ausplünderung ganzer Staaten zu Gunsten weniger Spekulanten auf.

"The best time to buy is when there?s blood on the streets"

Mit Bildern wie einer Werbetafel für einen ominösen "Millionaire?s Club", direkt über den Hütten eines indischen Slums oder einer Aufnahme vom Aufbau einer "Gelddusche", in der in knallbunten Overalls gekleidete Menschen in der Bemühung nach flatternden Banknoten zu greifen, nahezu akrobatische Kunststücke vollführen, um die Taschen mit Banknoten zu stopfen (Stichwort: Moneymaker), werden Luftgeschäfte illustriert.

Minutenlang fliegt die Kamera nur über Maßschuhe der Manager oder nackte Füße der Frauen im indischen Steinbruch. Auch wenn nicht immer alles für bare Münze genommen werden muss, beispielsweise die Theorie, dass Saddam Hussein nur des Öls wegen von den Amerikanern gestürzt wurde, überwiegen die eindrucksvollen Minuten der Globalisierungskritik.

"Der Knochenmann"

Die Krimis von Haas mit Hader unter der Regie von Wolfgang Mumberger haben sich schon bei "Komm, süßer Tod" und "Silentium als leinwandtaugliches Material entpuppt. Warum ausgerechnet "Der Knochenmann" und nicht "Komm,süßer Tod" oder "Silentium" einen Platz auf unserer Best-of-Liste ergattern konnte, ist letztendlich reine Geschmackssache, aber die Dichte an Pointen und ein Hader in Bestform haben dazu beigetragen, dass sich der Knochenmann tief in unser Gedächtnis gebrannt hat. "Jetzt ist schon wieder was passiert."

Den Brenner verschlägt es diesmal in die südsteirische Provinz zum Wirtshaus "Löschenkohl", wo täglich ein paar tausend Backhendln auf den Teller kommen und im Keller eine Knochenmahlmaschine vor sich hin rattert. Dort soll der inzwischen für die Leasing-Firma eines Freundes arbeitende Brenner, die ausstehende Leasing-Rate eines gewissen Herrn Horvath eintreiben. Nachdem vom Gesuchten jede Spur fehlt, bucht sich der Suchende selbst im Gashof ein.

Bald verschaut er sich ein bissl in die junge Wirtin, bald wittert er nicht nur Kulinarisches, sondern auch Kannibalisches. Und dazwischen Reihen sich Schmähs in Form von lakonischen Dialogen, gespickt mit feinstem schwarzen Humor und ein paar unappetitlich-brutalen Mordszenen, die für eine abgründige Kinounterhaltung vom Feinsten sorgen. Und der Sound von den Sofa Surfers passt wunderbar zur makaber-morbiden Stimmung.

"Contact High"

Contact High ist die österreichische "Fear and Loathing in Las Vegas" meets "Pulp Fiction"-Version eines Roadmovies, in dem Michael Ostrowski und Raimund Wallisch durch schrumpfende Hotelzimmer und rückwärtslaufender Zeit taumeln, vier Taschen, die einander überhaupt nicht ähnlich sehen, verwechseln, und ein Massaker in einem Hühnerstall sowie eine Verfolgungsjagd mit einem winzigen Fiat überleben.

"May the bag/bäg/back be with you"

Irgendwo dazwischen steht die Welt mehrfach Kopf: lange Auto-bzw. Zugfahrten, schießwütige Zuhälter, aus Butterbroten sprießende Fabrwolken, magic mushrooms und bunte Fliegenpilz-Zaubertränke flimmern über den Bildschirm. Die Flut an Bildern kann wohl erst nach mehrmaligem Ansehen verarbeitet werden. Das bunte Gemisch aus einem absurden Plot, verpeilten Figuren und fantasiereichen Trip-Darstellungen sorgt für die mit Abstand schrägste Story der heimischen Film-Liga. Stellenweise unpackbar lustig.

"Amour"

Das Michael Haneke für sein filmisches Meisterwerk "Amour" zahlreiche internationale Auszeichnungen, darunter den Oscar für den besten fremdsprachigen Film, abgeräumt hat, ist weitgehend bekannt. Die Geschichte um die große Liebe von Anne und Georges und die qualvolle Belastung, der diese Liebe im letzten Lebensabschnitt ausgesetzt ist, geht tief unter die Haut und hallt lange nach. Haneke zeigt mit einer Schnörkellosigkeit das zutiefst erschütternde krankheitsbedingte Verlöschen Annes, den Verfall einer würdevollen Dame zur von Krankheit schwer gezeichneten, und all die unerbittliche Fürsorge ihres Mannes, jene berührende Momente, in denen Georges alles unternimmt, um seiner Frau die letzte Phase ihres Lebens erträglich zu gestalten.

Auf Konfrontationskurs

Mit präzisen Kameraaufnahmen, langen Dialogen und einem geschlossenen Raum (die Wohnung wird so sorgfältig gefilmt, dass einem das detailgetreue Bild noch lange im Gedächtnis bleibt) dokumentiert "Amour" einen aussichtslosen Kampf, Entbehrungen sowie Überforderungen und konfrontiert die Zuschauer mit einem Prozess, den man am liebsten möglichst lange verdrängen würde. Ohne verzogener Melodramatik überlässt Hanke sein Publikum einem intimen Beisein einer Emotionsgewalt, die sich wie ein Schlag in die Magengrube ausbreitet.

Jelena Drenjakovic

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