29. Mai 2013

Der Fiaker

Wieso fahren in Wien Menschen noch immer in Kutschen?

Zur Beruhigung: Es gibt keinen Grund, die Fiaker wegen möglicher Tierqualen zu kritisieren. Denn auch wenn die Pferde dieser Kutschen-Denkmäler ganztags durch den Stadtverkehr latschen, steht im „Fiakerlied“, der Hymne auf den Fiaker, von Komponist Gustav Pick:

A Peitschen, a des gibt’s net,
Ui jessas nur net schlag’n,
Das allermeiste wär tsch’, tsch’,
Sonst z’reissens glei’ in Wag’n
.

Der Fiaker liebt seine Pferderl wie der Wiener seine Fiaker – der Wiener würde übrigens nie „Droschke“ sagen. Zwar besteigen nur die wenigsten Stadtbewohner in ihrem Leben eine solche Kutsche, aber das liegt nur daran, dass ihrer Ansicht nach „so a Runde mit dem Fiaker eher was für Touristen is’“. Aber nicht umsonst heißt es im Refrain:

Mei’ Stolz is, i’ bin halt an echt’s Weanakind …
Mein Bluat ist so lüftig und leicht wie der Wind.

Das Image dieses lockeren Gemüts verdanken die verbliebenen knapp hundert Fiaker in Wien vor allem dem Josef Bratfisch. Den machte Kronprinz Rudolf in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu seinem Leibfiaker, weil ihm seine Wienerlied-Darbietungen und das Kunstgepfeife so erheiterten. Weniger erheiterte er offensichtlich Baronesse Mary Vetsera auf ihrer letzten Fahrt zum Jagdschloss Mayerling, wo sie und der Kronprinz sich – oder der Kronprinz beiden oder alles doch ganz anders, man klärte das nie ganz auf – dann das Leben nahmen. Dem Bratfisch brachte der Posten beim Kronprinzen jedenfalls eine Darstellung seiner Person durch Attila Hörbiger, eine Gedenktafel in der Lacknergasse und ein Ehrengrab auf dem Hernalser Friedhof ein.

Als Bratfisch 1892 starb, gab es in Wien rund tausend zweispännige Lohnkutschen, deren Name „Fiaker“ sich vom ersten französischen Standplatz in der Rue de Saint Fiacre ableitet. Die ersten Fiaker-Lizenzen wurden in Wien 1693 erteilt, die erste Fiakerin nahm in Wien 1984 die Zügel in die Hand. Seit 2004 müssen Fiakerpferde Pferdewindeln tragen. Und das hätte es unter einem Bratfisch nicht gegeben.


„Darf’s a bisserl mehr sein?“

Weitere Fragen zu Wien und deren interessante Antworten findest du in Wann verlor das Riesenrad seine Waggons? von Axel N. Halbhuber erschienen im Metroverlag.

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