19. September 2011

Das Wort zum Tatort vom 18.9.2011 – „Zwischen den Ohren“

Ein abgetrennter Fuß wird gefunden, bald darauf der dazugehörige Körper. Beide Male vom hippiesken Vater des Münsteraner Chefermittlers Thiel, der in dieser Folge die Gegend nicht mit dem Taxi unsicher macht, sondern des Nächtens angeln gehen darf. Bald stellt sich heraus, dass es sich bei der Leiche um eine alte Schulkollegin Börnes, Susanne Clemens, handelt. Es konzentriert sich also alles auf das Umfeld der Hauptfiguren.

Die Ermittlungen führen anfänglich zu verwirrenden Ergebnissen. Denn Susanne war Mitglied im eigentlich recht frauenfeindlichen Bikerklub „Wotan Wolves“ – als Mann, wie auf Fotos zu sehen ist. Der manchmal doch ziemlich einfach gestrickte Thiel wittert die Fährte nicht gleich, er wundert sich vielmehr, warum Susanne „verkleidet als Mann“ bei der Gang mitfuhr.

Im falschen Körper

Mit Verkleidung hat das Ganze allerdings wenig zu tun. Susanne war transsexuell, besaß also weibliche Geschlechtsmerkmale, fühlte sich aber wie ein Mann und wollte mithilfe von Medikamenten auch einer werden. Dass die „Wotan Wolves“ hinter ihr Geheimnis kamen und ihr deshalb einen Denkzettel verpassten, führt den Zuschauer auf eine erste falsche Fährte.

Mit der 17jährigen Profi-Tennisspielerin Nadine, die sich von Susanne akzeptiert fühlte „so wie ich bin“, wird das Thema Intersexualität noch einmal fixiert. In Susannes Werkstatt findet Thiel in einem Versteck eine DVD, auf der Nadine ihre Intersexualität „gesteht“. Die vermeintliche Freundin Susanne entpuppt sich als Erpresserin, die der Profispielerin die Karriere nachhaltig schädigen könnte. Dass auch nur ein Gerücht eine sportliche Profi-Karriere beenden kann, war ja schon bei der südafrikanischen Mittelstreckenläuferin Caster Semenya der Grund für ihr zwischenzeitliches Karriere-Aus.

„Das Geschlecht befindet sich nicht zwischen den Beinen, sondern zwischen den Ohren“

Einsamkeit ist ein weiteres Thema der Krimi-Folge. Denn wie Susanne, kämpft auch Nadine um ihre Zugehörigkeit, die sie aber nicht richtig verorten kann. Ein von den Eltern gefälschtes ärztliches Gutachten, demzufolge Nadine nur weibliche Geschlechtsmerkmale besitzt, hilft ihr in ihrer Identitätssuche wenig. Zudem lastet in Bezug auf ihre Sportkarriere ein sehr hoher Druck auf ihr, ausgeübt insbesondere durch ihre Familie. Die Eltern trainieren sie hart und stecken all ihr Geld in ihre Förderung, weswegen Bruder Mischa sogar sein Studium abbrechen musste. Ein Mordmotiv zeichnet sich hier also immer mehr ab, nur welches Familienmitglied Susanne umgebracht hat, ist noch ungewiss. Die Alibis scheinen perfekt zu sein.

Hauptdarsteller als eigentliche Stars

Das Hauptaugenmerk in dieser Folge liegt aber weniger beim gesellschaftlich explosiven Thema Intersexualität, sondern bei den beiden Hauptcharakteren. Börne überschlägt sich einmal mehr in Großkotztum, denn er bekommt den Wissenschaftspreis verliehen. Seine Dankesrede vor dem Spiegel inklusive Winken und Dankesgruß an imaginäre Anwesende sind der Höhepunkt der charakterlichen Skurrilität. Dass der Preis dann noch aussieht wie ein Tennispokal, ist nur ein weiterer Deut an Absurdität. Überhaupt reihen sich in dieser Folge die running Gags aneinander: Beispielsweise will, aber kann Börnes Konterpart Thiel als eingefleischter FC St. Pauli-Fan das Match zwischen St. Pauli und Bayern nicht im Fernsehen verfolgen. Extra nimmt er sich das Spiel auf Video auf. Dessen Ausgang – man hat es ja geahnt – verrät ihm aber schließlich ausgerechnet der Fußball-Banause Börne. Oder der Geschlechter-Test beim Pullover Ausziehen, der bei allen funktioniert und nur die eh schon recht raue Frau Staatsanwältin als Mann charakterisiert.

Eine(r) für alle, alle für eine(n)

Was schon anfangs das Motto bei den Wotan Wolves ist – die im Verlauf des Plots übrigens keine Funktion mehr haben und deren Status als Bösewichte deswegen als etwas zu augenscheinlich exemplifiziert wird – zieht sich als Leitthema durch den Krimi hindurch. Und so gibt es dieses Mal auch nicht nur einen Mörder, sondern ein Mörderkollektiv, denn die Gewalttat war familiäre Teamarbeit: Der Vater verabreichte Nadine und Susanne einen Schlafcocktail, Bruder und Mutter beförderten Susanne in den Kanal. Alle für eine (Karriere) sozusagen.

Fazit

Wie immer ist der Münsteraner Tatort durch seine beiden Hauptermittler sehr unterhaltsam. Witzige Dialoge, running Gags und die skurrilen Charaktere der Protagonisten sind immer wieder erfreulich anzusehen. Dabei rückt das eigentliche Thema, die Intersexualität und damit einhergehende Einsamkeit der Betroffenen, aber fast ein bisschen zu sehr in den Hintergrund. Und dennoch, der Thiel-Börne-Tatort läuft einfach außer Konkurrenz. (BP)

Bisher erschienene Worte zum Tatort findet ihr in der untenstehenden Leiste.

2 Kommentare

  1. Dagmara S.

    19. September 2011

    Ich liebe den M
    Die beiden sind so ein geniales Duo, dass dabei noch ein Mord aufgekl

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  2. Dagmara S.

    19. September 2011

    Jetzt ist mein Kommentar abgeschnitten.
    Also ich wollte sagen die Handlung ist eh nebensächlich es geht vor allem um die Dialoge und die Szenen zwischen den beiden.

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