17. September 2011

Das Wort zum Tatort vom 11.9.2011 – “Tod einer Lehrerin”

Wie der Titel – so das Programm: Die Lehrerin Heike Fuchs kommt zu Schulbeginn nicht zur Arbeit und wird ermordet in ihrem Haus aufgefunden. Dem Zustand der Leiche zufolge war sie schon den ganzen Sommer über tot.

Nach und nach werden immer neue Personen eingeführt, die sich durch ihr Verhalten verdächtig machen und die durchaus ein Motiv hätten, der Lehrerin nur das Schlechteste zu wünschen. Passenderweise verletzte Heike Fuchs nämlich ihre Aufsichtspflicht, indem sie sich auf einer Klassenfahrt in Italien gerade mit dem Vater ihrer Schülerin Eshe vergnügte, als ihr Schüler Niko sich im Meer das Leben nahm. Zum illustren Kreis der Verdächtigen zählen Nicos Vater, der in der Schule sitzengebliebene Schüler Paul, die betrogene Ehefrau und Mutter Eshes, Dafina, und der Arzt, der immer ein Auge zudrückt, wenn es um die Bezahlung der Arztegebühren geht. Falsche Fährten gibt es also zuhauf, allerdings fast schon zu viele. Mit dem offensichtlichen Verwirrspiel ist schnell klar, dass nur eine Nebenfigur der Mörder oder die Mörderin sein kann.

Afrika, Afrika

Eine neue Ebene wird mit dem Thema Afrika eingezogen, welches auch gleich zu Beginn mit dem somalischen Mädchens Eshe angedeutet wurde. Im Rahmen eines Schulprojektes recherchierte Frau Fuchs zum Thema Afrika. Auch Lena Odenthal recherchiert und besucht ein afrikanisches Fest im Begegnungszentrum. Dort engagiert sich die Frau des Arztes, Regula Grossmann, für verschiedene Projekte, indem sie Spendengelder sammelt. Auch Lena spendet für ein Projekt, das Mädchen und Kinder unterstützen soll. Hier wird der Zuschauer hellhörig, denn endlich wird ein ernstzunehmendes Motiv ersichtlich.

Ein etwas lächerliches Liebesspektakel Koppers vor 30 Jahren muss leider herhalten, um den scheinbaren Kreis der Verdächtigen enger zu ziehen. Kopper ist plötzlich vermeintlicher Vater, was so schlecht nicht ist, denn zufälligerweise arbeitet der Ziehvater von Koppers „Tochter“ in jener Firma, in der just das Beruhigungsmittel hergestellt wird, mit welchem die Lehrerin Fuchs niedergespritzt wurde. Auch Nicos Vater, Herr Betz, ist dort beschäftigt. Und noch einmal wird eine falsche Fährte gelegt: Ein Überwachungsvideo zeigt, wie ebenjener ein Fläschchen vom Fließband entwendet.

Tiefere soziale Problematik

Das scheinbare Rache-Thema entpuppt sich im Verlauf als schwerwiegende soziale Problematik, das nicht nur das Leid der Bürgerkriegskinder in Somalia zum Inhalt hat, sondern auch ein ganz anderes Leid beleuchtet: das traditionelle Beschneidungsritual, das in einigen Länden Afrikas immer noch praktiziert wird und das nur wenige Kinder überleben. Auch Eshes Mutter Dafina will ihre kleinste Tochter Meesa diesem Ritual unterziehen, obwohl bereits eine Tochter dabei verblutete.

Nachdem Lena und Kopper den ganzen Film über auffallend viele Visitenkarten verteilt haben, wird auch klar warum – denn natürlich ist im Tatort nichts ohne Grund. Die Karten erweisen sich schließlich als Rettungsanker: Eshe kann Hilfe rufen und verhindert dadurch die Beschneidung ihrer kleinen Schwester.

Komplizierte Auflösung

Als Mörderin stellt sich schließlich die Leiterin des Begegnungszentrums, Regula Grossmann, heraus. Der Grund für die Tat ist verstrickt. Eshe vertraute sich ihrer Lehrerin bezüglich der anstehenden Verstümmlung ihrer Schwester an, woraufhin diese Regula Grossmann mit einer Anzeige drohte. Im Zuge dessen erfuhr Regula Grossmann auch, dass ihr Gatte in Somalia Genitalverstümmelungen vorgenommen hatte. Dies jedoch nur, um das Leid der Mädchen zu lindern, denn die „Operationen“ fänden ja sowieso statt. Um die Täterin herauszufinden, durfte Lena O. wie in jeder Frankfurter Folge natürlich wieder joggen.

Fazit

Grausame Realität als tiefgreifende soziale Problematik, welche die Ohnmacht gegenüber der Tradition offenbart. Glücklicherweise ohne moralisierenden Zeigefinger. Leider trüben dennoch ein paar Schwachstellen den Genuss. Insbesondere die ziemliche Konstruiertheit der Story und das Geständnis von Regula Grossmann, die Frau Fuchs sterben ließ, um ihr Afrika-Hilfsprojekt zu retten: „Keiner würde merken, dass ich hier war. Alle meine Probleme wären gelöst.“ Aha – und warum gestehst du, wenn deine Tat eh keiner merken würde? Schade um die schlechte Auflösung, hinsichtlich der Thematik aber endlich mal wieder ein guter Tatort. (BP)

Im Topkino und seit neuestem auch im Schikaneder gibts übrigens jeden Sonntag ein Tatort Public Viewing – bei freiem Eintritt und mit dem Highlight Täterraten, bei dem es auch noch Freigetränke zu gewinnen gibt.

Ältere Tatortrezensionen findet ihr in der Leiste unter diesem Artikel.

2 Kommentare

  1. Sarah

    12. September 2011

    Finde aber auch
    dass der Tatort ganz interessant war. Bin ausnahmsweise mal nicht eingeschlafen.

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  2. rmd

    12. September 2011

    wow
    wow… der erste tatort seit jahren den ich verpasse und es ist ein GUTER?

    Reply

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