17. April 2013

DVD Tipp: Heil Hitler – Die Russen kommen

„Wir sind Geschichtsbücher, aber auch in denen muss man blättern.“ Wir, das sind die Kinder des Nationalsozialismus, genauer gesagt jenem in Ostösterreich, zu denen sich Dokumentarfilmer Simon Wieland für sein neuestes Projekt begeben hat.

Der ist wiederum ein Kind dieser Kinder, der die Erfahrung gemacht hat, dass während die Großeltern den EnkelInnen vom Geschehenen erzählten, die Eltern Zeit ihres Lebens geschwiegen haben. Während die Buben als Kindersoldaten in die Pflicht genommen wurden, haben die Mädchen den Einmarsch der russischen Armee am eigenen Leib erfahren müssen. Diese Kinder sind mittlerweile in einem reifen Alter: teils noch wacker, teils schon am Stock folgt ihnen die Handkamera mit in die Ecken ihrer Häuser und Höfe, in denen sie sich vor Soldaten versteckt haben oder von Bomben verschüttet wurden.

Hier, im Osten des Landes, war der Endkampf um das dritte Reich so hautnah zu erleben wie nirgendwo sonst in Österreich. Die Menschen, die in ‘Heil Hitler – die Russen kommen’ zu Wort kommen, waren Kinder im und während des Nationalsozialismus, mit allen Implikationen, die das mit sich brachte. Ihre Kindheit fiel später der Selbstzensur zum Opfer; das erlebte Grauen haben sie verdrängt, um weiterleben zu können. Die Gräueltaten an der Front, die Angst vor dem Feind, dann zunehmend den Nazis selbst und schließlich vor den russischen Soldaten, den Vergewaltigungen und Erniedrigungen. Niemand ist richtig davongekommen, und es verwundert nicht, dass daraus eine sprachlose Generation entstanden ist.

Befreit von allem

Wut, Schmerz und Scham sind dabei so akut, dass zum Teil der Eindruck entsteht, man gehöre zu den Ersten, denen diese Geschichten anvertraut werden. „Das kann man schon verdrängen,“ sind sich zwei Frauen einig, die wacker von ihren Vergewaltigungen erzählen. Simon Wieland arbeitet mit Archivmaterial, um den bekannten historischen Kontext den dreizehn Kapitel voranzustellen, die den Geschichtsbogen von der Zeit vorm Anschluss bis zur dramatischen Koexistenz mit der russischen Armee spannt. „Da war eine Euphorie. Wer sagt, dass es damals keine spürbare Euphorie gab, der lügt!“ wettert eine betagte Dame über den Tag des Anschlusses. Es bleibt nicht ohne Verweis auf die Gegenwart. „Ich weiss ja nicht ob man das im Fernsehen sagen darf, aber es gibt da einen, der spricht genau so wie damals der Hitler.“

Maxi Lengger

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