14. April 2011

CHRISTIAN FENNESZ im Gespräch

„Ausnahmemusiker“ trifft es wohl am besten, über jegliche weitere musikalische Bezeichnung ließe sich streiten: irgendwo zwischen experimenteller Elektronik, Avantgarde, Abstraktion, Noise und Melodie steht der Name Christian Fennesz für einen international renommierten, vielschichtigen und immer wieder aufs neue entdeckenswerten Klangkosmos. Neben seinen eigenen Alben (am bekanntesten wohl „Endless Summer“) ist Fennesz Teil zahlreicher Kollaborationen (unter anderem mit Ryuichi Sakamoto, David Sylvian, oder dem Trio Fenn O´Berg mit Peter Rehberg und Jim O’Rourke) sowie auch Komponist von Film- und Tanzmusik und, ganz nebenbei auch noch ein extrem umgänglicher und charismatischer Gesprächspartner.

Von Letzterem durfte ich mich überzeugen, als ich Christian Fennesz in seinem Wiener Studio zum Gespräch bat – über Aktuelles, Vergangenes und Kommendes sowie auch über Equipment und Aufnahmeprozesse.  Besonderer Augenmerk vorab noch auf die am 6.6. erscheinende EP "Seven Stars" sowie auf Fennesz’ Konzert anlässlich der Österreich-Premiere von "AUN" am 5.5. im Gartenbaukino.

 
….Fennesz remixt Mahler ….

Für das „Lied Lab Festival 2011“ hast Du den Auftrag bekommen, Gustav Mahler zu remixen – Ende März hast du das Projekt im RadioKulturhaus performt. Mit welchem Zugang geht man an ein derartiges Projekt ran?

Fennesz: "Ich habe viel darüber nachgedacht, viel gehört und mich letzten Endes dazu entschlossen, dass ich nur Teile von Mahler in meine eigene Klangwelt einbauen kann. Zu versuchen, Mahler zu toppen geht einfach nicht. Ich habe versucht Teile und Melodiebögen Mahlers zu finden, die zu meiner bescheideneren Klangwelt passen könnten. Ich habe mich durch sein Werk durchgehört, und wenn ich etwas gefunden habe, bei dem ich mir gedacht habe, dass es passen könnte, habe ich es gesampelt, oder auch versucht nachzuspielen – und das in meine Komposition eingebracht. Es ist sehr viel Mahler dabei gewesen, war dann aber am Ende doch meine Musik. Sehr viele Sounds, die ich verwendet habe, bauen auf Mahler-Orchestersamples auf, so an die 80 Prozent. Aber wenn das Ganze dann durch meine speziellen Filter und Arbeitsprozesse geht, kann das am Ende natürlich nur nach mir klingen.“

Das klingt nach jeder Menge Arbeit.

Fennesz: „Ja, das war viel Arbeit (lacht). Ich bin da schon einen Monat gesessen. Aber es hat mich fasziniert, es hat Spaß gemacht diesen Einblick ineine so komplexe Klangwelt wie jene Mahlers zu kriegen. Auch wenn man das vielleicht nicht offensichtlich gehört hat, bin ich sehr in die Tiefe gegangen".

Wie kam es dazu?

Fennesz: "Ich habe mit Christoph Thun-Hohenstein (Kurator des Liedlabs, Anm.) schon einmal in New York zusammengearbeitet, als er in New York das österreichische Kulturinstitut geleitet hat, da gab es auch ein Mahlerfestival, wo ich den selben Auftrag hatte. Mahler verbindet uns schon seit Jahren“.

Hast du auf bereits bestehende Fragmente vom New Yorker Projekt zurückgegriffen?

Fennesz: „Ich habe die Sachen von 2002 durchgehört. Die waren zwar gut, aber ich fand sie nicht mehr zeitgemäß. Die Herangehensweise, die ich damals hatte war noch stark im Glitch-Umfeld verhaftet, und das ist mir jetzt eben nicht mehr so nahe. Einige Sachen konnte ich schon noch verwenden, aber ich musste es ziemlich überarbeiten“.

  ….Musikalische Entwicklung….

Du hast ja quasi ein eigenes Genre geprägt, und dich dann, wie du sagst,  vom Glitch-Umfeld wegentwickelt.

Fennesz: „Nicht wegentwickelt, aber weiterentwickelt, hoffe ich. Es muss ja irgendwie weitergehen. Ich habe ja auch zurück gefunden zur Gitarre, nicht nur zu Gitarrensamples sondern zur Live-Gitarre, und es hat sich dann wieder eine ganz andere Klangwelt eröffnet“.

Ich weiß nicht ob du mir recht geben würdest, aber mit deinem letzten Album „Black Sea“ bist du kompositorisch wieder abstrakter geworden, verglichen mit der Songhaftigkeit von  „Endless Summer“, das ja beinahe schon etwas pop-haftes hatte.

Fennesz: „Ja. Das war zu der Zeit einfach der richtige Schritt. Als ich damals begonnen habe, wieder Melodien und Zitate aus den 60ern, 70ern zu verwenden innerhalb meiner Musik, war alles abstrakt. Da war alles nur Glitch, Clicks & Cuts, und alles klang irgendwie ähnlich. Ich dachte mir, aus dem ausbrechen zu müssen, und daraus wurde dann das „Endless Summer“ Album, was nach wie vor mein erfolgreichstes Album ist“. 

Während du auf Black Sea wieder mehr abstrahiert hast?  

Fennesz: „Hmm… ja. Das war damals eben auch ein richtiger Schritt zu der Zeit, obwohl: es gibt auch sehr einfache Sachen, ein Stück bei dem ich nur klassische Gitarre gespielt habe beispielsweise. Das Album hat viele Seiten: abstrakte und dann wieder ganz einfache“.

….DIE NEUE EP und kommende Projekte….

Erzähle ein wenig über den Entstehungsprozess deiner kommenden EP.

Fennesz: „Es gab zwei Stücke, die schon länger herumtrug und von denen ich dachte, dass sie ideal für eine Single wären. Die habe ich neu aufgenommen und im Zuge dessen kamen noch zwei neue Stücke dazu. Ich habe mir gedacht, das passt schön, das ist ein kleines, kurzes Statement. Ich mag Singles und Four Track EPS sehr gerne, man spürt nicht so das Gewicht ein großes Studioalbum produzieren zu müssen, das kann auch sehr belastend sein. Ich bin sehr glücklich damit, es ist wieder sehr melodiös, viele Gitarren…“

Und ein ganzes Album?

Fennesz: „2012, das ist der Plan. Ich werde diesen Sommer mal beginnen, Ideen zu sammeln, das wird April oder Mai 2012 werden, denke ich".

Worauf liegt derzeit dein Hauptaugenmerk?

Fennesz: „Auf vielen Sachen. Ich habe unter anderem sehr viele Filmarbeiten gemacht. Am 5. Mai ist die Premiere von „AUN“, das ist der neue Film von Edgar Honetschläger, der plötzlich durch die Japan-Sache totale Aktualität bekommen hat, es geht quasi um die Kraft der Natur, die nicht zu bändigen ist. Es ist eine japanisch-österreichische Produktion, in Japan gedreht mit japanischen Schauspielern – über das Projekt bin ich glücklich, das ist gut gelungen. Die Premiere war in Rotterdam, und jetzt kommt die Filmpremiere in Wien. Daneben habe ich einige Remixe unterschiedlichster Natur gemacht , unter anderem habe ich eine J-Pop Band geremixed. Das hat mir ziemlichen Spaß gemacht, ich habe das gern, ganz unterschiedlich zu arbeiten. Es ist auch ein neues Album mit Ryuichi Sakamoto fertig. Das wird im Sommer zuerst in Japan erscheinen, und im Herbst dann auf Touch. Ein Doppelalbum mit 24 Tracks“.

….Ryuichi Sakamoto & Fenn O´Berg….

Wie verläuft die Zusammenarbeit zwischen dir und Ryuichi Sakamoto – ihr arbeitet ja über eine recht große Distanz.

„Ryuichi lebt in New York, er ist zwar viel in Japan, aber New York ist sein Hauptwohnsitz. Normalerweise machen wir es immer so, dass wir uns Sachen schicken – entweder er schickt mir Pianospuren und ich komponiere etwas dazu, oder ich schicke ihm Sounds und er spielt das Piano darüber. So war das bei unserem ersten Album. Diesmal war es so, dass er 2008 oder 2009 eine große Solo-Tournee gehabt hat, und er hat zu Beginn jedes Abends ein Stück in einer anderen Tonart improvisiert. Das waren dann 24 Stücke, weil alle Halbtonschritte darin sind, eben das wohltemperierte Klavier – und der Gute hat mir alle 24 geschickt und meinte „Hey, Christian, mach was darüber“ (lacht). Das war viel Arbeit. Dann ist es auch so, dass wir uns immer wieder austauschen, per Skype oder Email, und uns die Mixes hin und herschicken – am Ende treffen wir uns aber immer in seinem Studio in New York für einige Wochen, und da mischen wir sehr intensiv gemeinsam. Das ist unser Arbeitsprozess“.

Fenn O´Berg ist ein weiteres Projekt von dir.

Fennesz: „Fenn O´ Berg ist eine japanische Band, weil Jim O´Rourke Japan nicht mehr verlassen will. Nur wenn er mal sein Visum verlängern wird, fährt er kurz nach Korea (lacht), aber sonst ist er dort zu Hause, spricht perfekt japanisch und ist bestens integriert – und will auch nur in Japan auf Tournee gehen. Also gehen wir mit Fenn O´Berg eben einmal pro Jahr dort auf Tournee, schneiden alles mit, arbeiten dann zuhause daran und releasen das. Das funktioniert eigentlich total super, und macht immens Spaß“.

Das klingt so, als hättest du eine Menge Flugmeilen pro Jahr !

Fennesz: (beide lachen). Letztes Jahr hatte ich 120.000 – ich hab meinen Goldstatus bis 2014 verlängert. Letztes Jahr war es eben ganz extrem, dieses Jahr etwas ruhiger und das hat mir schon ganz gut getan.

Deswegen auch nur noch Wien? (Anm.: Christian Fennesz hat lange Zeit sowohl in Paris als auch in Wien gelebt) 

Fennesz: „Ja, unter anderem. Dieses Jahr ist eben mehr Studio angesagt, und nicht so viel auf Reisen gehen. Das ist besser. (lacht)"

Ich habe mir deinen Tourplan 2010 angesehen, der war ja wahnsinnig.

Fennesz: "(nickt) Letztes Jahr war ich zuerst in Amerika, bin dann zurück nach Europa, dann nach Japan für drei Tage, dann zurück nach Europa und dann wieder nach Amerika. Das war ich wirklich ziemlich erledigt. Das war erstens schon nicht mehr gesund, zweitens war es auch emotional belastend. Da kommt das Hirn nicht mehr mit“.

.... EQUIPMENT….

Für die Techniknerds unter uns: reden wir ein wenig über dein Equipment.

Fennesz: „Klar. Logic ist mein Hauptarbeits- und Kompositionstool, ich habe sämtliche Plugins. Ich habe das Glück, dass ich durch meine Pariser Zeit immer sehr gefördert wurde von GRM. Letztes Jahr war ich dann Beta-Tester von GRM Plugins, die völlig sensationell sind, jedes ein Instrument: und die verwende ich gerade exzessiv. Ich hab auch diese Apache Ensemble Preamps, die sehr, sehr gut sind – aber auch die alten Telefunken, die da hinten stehen. Das sind V72er Röhren-Mic Preamps – die Beatles haben die verwendet. Dann läuft das alles nochmal über raus einen API-Mischer, das ist ein Summing Amp. Ein extrem hochwertiger Analogmischer, genau wie das große API-Mischpult ohne die Fader, das ganze Innenleben ist das Gleiche und das hört man auch, es klingt fantastisch. Die ganzen legendären Platten in den 60ern und 70ern wurden über einen API gespielt. Es geht dann nochmal über einen API Kompressor und kommt dann noch einmal über die Apache Wandler in den Computer“.  

Und in punkto Gitarren?

„Das hier ist meine Fender Jazzmaster. Dann hab ich auch noch eine alte schwarze Stratocaster, die hab ich letztens am Osloer Flughafen vergessen (lacht). Das war wirklich saublöd: bei der Security gibt’s Inlands und Internationale Abteilungen. Und ich habe sie dort stehen lassen bei den Securities– wenn du aber einmal durch den internationalen Durchgang gehst, kannst du nicht mehr zurück. Die war dann zehn Meter weg, ich hab sie gesehen aber konnte nicht mehr zurück. Ein Freund von mir hat sich dann darum gekümmert, die steht jetzt in Oslo“.

Wäre ja auch schade gewesen um die Stratocaster. Fährst du dann direkt über Preamps in den Computer?

Fennesz: „Verschieden – ich habe einen VOX, den ich schon sehr oft verwende. Dann habe ich auch Boss-Preamps wo ich direkt reingehe, ab und zu verwende ich auch Guitar Rig. Ich verwende alles, direkt und Amp – was eben so anfällt. Die Akkustischen sind die alten Gitarren. Die Fender habe ich seit ich 15 bin, mit der habe ich alles eingespielt“.

Am Ende des Gesprächs hatte ich das Vergnügen, Fennesz’ kommende EP in voller Länge zu hören. „Seven Stars“ erscheint am 6.6. wahlweise als Vinyl, CD und Download. Und soviel darf ich verraten: die EP klingt großartig. Danke an Christian Fennesz für die Einladung.

FOTO (c) Maria Ziegelboeck / fennesz.com

Markus Brandstetter

Geschichten rund um den Song Noir. Von strauchelnden Protagonisten, Mythen und Mixtapes.

6 Kommentare

  1. Clara

    14. April 2011

    ganz starkes Interview
    wow

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  2. Charles

    14. April 2011

    Tolles Interview, toller Typ
    Scheint eine sehr faszinierende Persönlichkeit zu sein der Herr Fennesz.

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  3. Musiker vom Fach

    14. April 2011

    Bin auch sehr angetan
    Toller Typ & tolles Interview.

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  4. marie

    14. April 2011

    großartig
    eine unglaublich interessante Person und ein sehr, sehr tolles interview. danke!

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  5. Nina L.

    14. April 2011

    Top
    bestes stadtbekannt Interview seit langem. Mehr davon bitte.

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  6. michi

    15. April 2011

    danke
    ganz, ganz tolles interview – gutes gespräch muss das gewesen sein :). ich liebe fennesz’ musik.

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