19. Februar 2012

Bürgerbeteiligung und Bürgerinitiativen in Wien

Der Club 2 vom letzten Mittwoch führt uns zu der Frage nach Bürgerbeteiligung und Bürgerinitiativen in Wien und damit verknüpft dem Wiedererstarken sozialer Bewegungen. Wir gehen der Frage nach, welche Bürgerinitiativen und Bewegungen Wien geprägt haben und was es mit der Agenda 21 und den Bürgerinitiativen auf sich hat.

Wer letzten Donnerstag Nacht den Club 2 gesehen hat, dem wird es vielleicht ähnlich ergangen sein wie mir. Zwischen Wut, Entrüstung und Fassungslosigkeit waren meinerseits alle Gefühlslagen dabei. Der Begriff des Fremdschämens fasst jedenfalls nicht dieses unterirdische TV-Erlebnis. Falsche Einladepolitik mag wohl eine Sache sein, Moderationskünste eine andere. Das Thema des Club 2 war ein viel diskutiertes dieser Tage: nämlich die Wutbürger. Unter dem Titel: „Bürger – Wohin mit der Wut?“ und damit verknüpft die Frage der Partizipation und Selbstermächtigung wurde viel heiße Luft verpufft. Am Ende der Sendung blieb der schale Geschmack von Weltverschwörungstheorien hängen, weshalb wir uns nun mit der Frage nach der Selbstermächtigung, Bürgerinitiativen und der Bürgerbeteiligung in Wien befassen. Das ganze Spektrum, das im Club 2 aufgemacht wurde, zu bearbeiten, würde den Rahmen an dieser Stelle nämlich sprengen. Den Club 2 vom 15.2.2012 kann man aktuell noch in der TVthek ansehen.

Das Wort zum Club 2

Einer der Gäste des Club 2 war Herta Wessely, die aus der Perspektive der Bürgerinitativen im Kontext der Aktion 21 berichten sollte. An diesem Abend diskutierten außerdem, der Liedermacher Konstantin Wecker, Maria Maltschnig – eine Vertreterin der „Sektion 8“ einer Sektion der SPÖ Alsergrund, der Journalist Thomas Chorherr und der Kaberettist Roland Düringer, der mit Klischees und Weltverschwörungstheorien unter dem Deckmantel der Provokation und offensichtlicher Uninformiertheit nur um sich warf.
 
Bürgerbeteiligung wozu?

Grosso modo äußerte Chorherr die Meinung, dass das Schweizer Beispiel der Minarette Debatte zeige, dass Bürgerbefragungen keine gute Ideen sein. Als weiteres Beispiel brachte er Bürgerbeteiligungsverfahren bei denen es um die Frage ging, ob es eine Umfahrung in einer Gemeinde geben solle oder ob die Straße durch die Gemeinde geht. Er meinte, dass sich zwei Bürgerinitiativen gebildet hätten: eine die für die Umfahrung gewesen sei und eine dagegen.
Dürringer nahm bei dieser Diskussion eine Sonderstellung ein was Informiertheit anbelangt und meinte, dass sich die Leute eh alle so leicht täuschen lassen und dass es um den größeren Zusammenhang gehe. Zusammengefasst wurde Kritk am Warenfetischismus und der Ohnmacht der BürgerInnen geübt und vom Primat des Finanzsystems und seine Macht über die Politik diskutiert. Weitgehend blieben die BürgerInnen als aktive Subjekte außen vor. Der Begriff der sozialen Bewegungen, der Bürgerbeteiligung und die Bedeutung der Bürgerinitiativen in Wien war dabei ein besonderes Stiefkind, das wir hier herauspicken möchten um ein wenig Klarheit darüber zu schaffen, was es in Wien damit so auf sich hat.

Wiedererstarken sozialer Bewegungen – Zwischen Hausbesetzung und urban Gardening

Das Wiedererstarken sozialer Bewegungen ist seit der Finanzkrise 2008 unverkennbar. Egal ob es dabei um die Occupy Wall Street Bewegung, den arabischen Frühling, die Uni-Brennt Bewegung oder aktuelle um die Anti-ACTA Bewegung geht.
Allerdings wird zivilgesellschaftliches Engagement, Empowerment (Selbstermächtigung) und die Aneignung von Stadträumen schon lange, wenn auch nicht immer medienwirksam, hochgehalten. Die Bandbreite reicht auch in Wien dabei von der Besetzung von Räumen, wie ehemals dem WUK, dem Amerlinghaus, dem EKH oder der Arena, um Räume für Kunst- und Kulturinitiativen oder politische Initiativen zu schaffen. Bis hin zu Tauschkreisen oder Kostnix Läden die damit alternative Wirtschaftsformen abseits des kapitalistischen Systems erproben und Solidarisierung selbst leben. Aber natürlich ist auch damit noch nicht das ganze Spektrum abgedeckt, denn es gibt natürlich auch noch viele andere Formen der Selbstermächtigung wie Guerilla Gardening, wo die StadtbewohnerInnen die Stadt begrünen, sein es Parks oder verwaiste Rasenflecken nebenstehend Fahrbahnen.

Wiener Bürgerinitiativen und die Agenda 21

Eine Form der Partizipation an Entscheidungsprozessen oder wenn es um die eigene Lebenswelt geht – nämlich die eigene Stadt – sind Bürgerinitiativen. Derer gibt es in Wien – allein – unter dem Deckmantel der Aktion 21 um die 80. Ihre Anliegen sind sehr unterschiedlich und reichen vom der Initiative Steinhof bis zur IBI (Internetinitiative) Verwaltungsreform-jetzt Anliegen. Der Generalverdacht von Dürringer das die WienerInnen nur sudern und raunzen kann hier widerlegt werden, denn die BürgerInnen engagieren sich an konkreten Projekten für konkrete Ziele. Natürlich sind die Bürgerinitiativen die Teil der Agenda 21 sind nur ein Ausschnitt der Initiativen die es in Wien schon gegeben hat.

Was ist die Agenda 21?

Ein zentrales Instrument der Bürgerbeteiligung ist seit 1992 die Agenda 21. Diese wurde bei der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwickung in Rio de Janeiro 1992 verabschiedet. Darauf bezieht sich wiederum die Charta von Aalbourg, die in einer späteren Konferenz folgendes fest hält: "Wir Städte und Gemeinden verpflichten uns, den in der Agenda 21, dem auf dem UN-Erdgipfel in Rio de Janeiro verabschiedeten Schlüsseldokument, enthaltenen Auftrag zu erfüllen. (…) Wir werden dafür Sorge tragen, dass alle Bürger und Interessengruppen Zugang zu Informationen erhalten und es ihnen möglich ist, an den lokalen Entscheidungsprozessen mitzuwirken."

Die Aktion 21 ist in Wien ein Verein zur Wahrung der Interessen der Bürger bei einschneidenden Änderungen in ihrem Umfeld. Das aktuelle Ziel der Aktion 21 ist es, wie Wessely im Club 2 berichtete, die rund 80 Wiener Bürgerinitiativen mit jenen auf Bundesebene (österreichweit) zusammenzubringen und ihre Anliegen und Interessen zu bündeln.

Was wird unter Bürgerbeiteilung in der Stadtplanung verstanden?

Gerade im Kontext der Stadtentwicklung ist Bürgerbeteiligung ein sehr dehnbarer und breiter Begriff. Er wird in unterschiedlicher Weise verwendet. Bei der aktuellen geplanten Seestadt Aspern beispielsweise wurde unter dem Begriff Bürgerbeteiligung „informieren“ verstanden. Im Falle der Wiener Steinhofgründe war diese gleichbedeutend mit – die BürgerInnen vor vollendete Tatsachen stellen, da der Planungsprozess eigentlich schon abgeschlossen war. Die Bürgerinitiative Steinhof war aber ausschlaggebend dafür, dass der geplante Bau der GESIBA gestoppt wurde und nun darüber diskutiert wird, was mit dem Areal passieren soll, wie stadtbekannt schon berichtete. In anderen Fällen wie der Umgestaltung des Brunnenmarkts wurde ein partizipatives Beteiligungsverfahren durchgeführt bei dem sowohl Geschäftsleute, Marktstandbetreiber und Bürgerinnen am Planungsprozess aktiv beteiligt waren.

Stadtentwicklung und Bürgerbeteiligung

Gerade wenn es um die Um- oder Neugestaltung von Stadträumen geht oder die Planung von neuen Stadtgebieten ist es wichtig, dass nicht nur die Interessen der BürgerInnen gewährleistet sind, sonder sie auch die Möglichkeit haben ihr städtisches Umfeld mitzugestalten. Schließlich sind die BürgerInnen ja sogenannte „Lebensweltliche ExpertInnen“. Soll heissen wenn es etwa um die Umgestaltung des Brunnenmarktes geht wissen die Menschen die am Markt arbeiten und leben am besten was sie benötigen um ihren Lebens- und Arbeitsalltag zu erleichtern.

Legendäre Wiener Bürgerbewegungen

Stadtbekannt und die österreichische Politiklandschaft nachhaltig geprägt hat beispielsweise die Bürgerbewegung gegen Zwentendorf und, welche schlussendlich nicht nur dazu geführt hat das Österreich Atomkraftwerk frei blieb und Kreisky abdankte, sondern auch zur Spaltung der SPÖ und der Gründung der Grünen. Ein weiteres bekanntes Beispiel ist der Spittelberg. In den 80er Jahren hätte das Biedermeierviertel abgerissen werden sollen und stattdessen neue moderne Bauten errichtet werden. Dagegen formierte sich ein massiver Bürgerprotest, der in der Besetzung des Amerlinghauses mündete und damit endete, dass der Spittelberg erhalten blieb und zu einem kreativen Zentrum der Stadt wurde, auch darüber haben wir vor einiger Zeit im Zusammenhang mit der möglichen Schließung des Amerlinghauses berichtet.

Fazit

Auch wenn Herr und Frau Österreicher oftmals Ohnmacht attestiert wird, zeigt sich, dass gerade wenn es um ihre Lebenswelt geht zumindest ein Ausschnitt der Bevölkerung sich für die Durchsetzung ihrer Rechte einsetzt. Das kann Auswirkungen auf unterschiedlicher Ebenen haben, wie im Falle von Zwentendorf die Spaltung einer Partei und die eine Atomenergie freie Zone oder im Falle des Spittelbergs, den Erhalt von Kulturgut. Der Feststellung von Chorherr im Club 2, dass Bürger bei Fragen der Verkehrs- und Regionalplanung oft wiedersprüchliche Wünsche äußern, kann man an der Stelle nur mitgeben, dass RaumplanerInnen oftmals vor diesem Problem stehen, aber das eben Teil ihres harten Geschäfts ist, nämlich die Miteinbeziehung der unterschiedlichsten Bedürfnisse der Interessensgruppen. Fest steht jedenfalls das Beteiligung und Selbstermächtigung immer schon wichtig war und dieser Tage wieder wichtiger wird.

Cornelia Dlabaja

Fotocredit: (c) Cornelia Dlabaja

2 Kommentare

  1. Herta Wessely

    18. Februar 2012

    Aktion21
    Diesen sehr guten Beitrag möchte ich in einem wesentlichen Punkt korrigieren und ergänzung:Die Tätigkeit von Aktion21 (Gründung 2006)als Dachverband für Bürgerinitiativen beschränkte sich nur zunächst auf Wien (80 BI insgesamt), im Herbst 2011 aber wurde die bundesweite Vernetzung beschlossen mit dem Ziel alle Initiativen in ganz Österreich auf einer Plattform zu vernetzen und alle Kräfte zu "bündeln". Der Forderung nach rechtlicher Verankerung der Bürgerbeteiligung soll damit mehr Nachdruck verliehen werden.

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  2. Cornelia Dlabaja

    18. Februar 2012

    @ Herta Wessely
    Vielen Dank für das positive Feedback und den Hinweis, den wir natürlich in den Artikel einarbeiten werden. Ich bin schon gespannt auf das Ergebnis der Vernetzungsarbeit der Bürgerinitiativen auf Bundesebene!

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