13. Mai 2012

Braune Straßen Wiens – Der Nazi auch in deinem Grätzl?

Nach der Debatte um die Umbenennung des Karl Lueger Rings stellten wir uns der Frage: Gibt es noch weitere unrühmliche Artefakte dieser Art in unserer Stadt? Ja es gibt sie!

Lange schon wurde darüber diskutiert, vieles wurde vorgeschlagen doch nichts wurde umgesetzt. So musste über ein halbes Jahrhundert vergehen bis der Karl Lueger Ring nach allerlei Querelen umbenannt wird. Nach elendslangen Debatten rund um den umstrittenen Namensgeber und der Straße die seinen Namen ziert ist es nun Fakt: Der von vielen Wienern als Antisemiten – Ring geschmähte Karl Lueger Ring wird umbenannt und so steht der Universität und auch dem Burgtheater eine Adressänderung bevor. Nun soll die Straße auf den Namen Universitätsring umgetauft werden, ein Akt der sich schon lange vorher abgezeichnet hat, jedoch nie in die Tat umgesetzt wurde. Typisch österreichisch eben.

Doch abgesehen davon ist Wien bis heute von Straßenzügen durchzogen die vielleicht nicht gerade ob ihres Images oder der Gegend an sich abschreckend und dubios erscheinen, sondern vielmehr aufgrund ihrer Namensgeber. Denn selbst heute huldigt Wien immer noch Personen im öffentlichen Raum, indem ihnen posthum ein Denkmal gesetzt wird. Zwar sind ein Adolf Hitler Platz oder ein Horst Wessel Platz logischer Weise längst Geschichte, doch es sind die unauffälligen, oftmals kaum wahrgenommenen Gässchen und Straßen, welche bis heute Relikte zum Glück längst vergangener Zeit sind und deren Namensgeber eigentlich auf keiner Plattform dieser Welt Platz finden dürfte.

Erst 2005 beziehungsweise 2006 wurden etwa die Heinrich Maxa-Gasse sowie die Ichmanngasse in Marathonweg und Simon – Wiesenthal Gasse unbenannt. Hintergrund war deren NSDAP Vergangenheit. Diese längst fällig gewesene Aktion hat Wien dabei nur den engagierten Menschen des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands zu verdanken, denn erst durch ihre Nachfroschungen wurde publik, dass der ehemalige Bezirksvorsteher (1969 bis 1973) und ÖVP Politiker Heinrich Maxa, unter anderem auch überzeugter Nationalsozialist war und sich auch der Hitlerjugend sowie SA zugehörig fühlte.

Der Nazi in deinem Grätzl

Er war zwar kein Nationalsozialist, sondern sah sich selbst als sozialdemokratischen Politiker, doch dem Ductus und der Termini welchen dieser zugetan war, erinnern an das Vokabular der 30er und 40er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Die Rede ist von Julius Tandler. Seinerseits darf er sich namensgebend für den Platz vor dem Franz Josefsbahnhof im neunten Wiener Gemeindebezirk fühlen. Neben seiner Tätigkeit als Politiker war er aber auch Arzt. Ein Arzt welcher sich bereits vor dem Anschluss dem nazistischen Vokabular der Nationalsozialisten behalf und mehrfach in Aufsätzen und Vorträgen darüber sprach unwertes Leben sterilisieren, gar vernichten zu wollen. Diesem Wissen vorausgesetzt, schmeckt das Leberkässemmerl am Sonntag vom Billa wohl nicht mehr so fein.

Zwar lange vor den Nazis, aber mit ähnlichen Methoden hantierte der Pfarrer Johann Ignaz Arnezhofer 1670 bei der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung in der Leopoldstadt. Heute ist eine Straße nach ihm benannt. Intendiert wurde dieser Vorstoß kurioser Weise von einem gewissen Bürgermeister Karl Lueger im Jahre 1906.

Doch wenn man schon denn die Moral- und Nazi-Keule schwingt, muss man auch die Gegenseiten näher betrachten, politisch wie auch zeitgeschichtlich. So ist bis heute etwa eine Stalintafel in Meidling angebracht die zu Ehren Stalins 1949 anlässlich seines 70. Geburtstags enthüllt wurde. Zwar gab es diesbezüglich, wenig überraschend vor allem seitens der FPÖ, Bestrebung die Tafel zu entfernen, jedoch macht dies ein Gesetz zu unmöglich, da die Republik dazu verpflichtet ist sowjetische Denkmäler zu erhalten und zu pflegen. Kurios, aber Tatsache.

Aber auch ein Christain Broda Platz ist kritisch zu hinterfragen, war es doch der Namensgeber des Platzes im sechsten Wiener Gemeindebezirks, der beispielsweise  in den 80er Jahren den berüchtigten NS-Arzt Heinrich Gross den Rücken frei hielt, obwohl dieser diverser Verbechen unter dem Nazi – Regime angeklagt wurde. Beispielsweise beteiligte er sich im Jahre 1944 an der Ermordung behinderter Kinder.

Pauschalitäten und historische Zeitgenossen

Natürlich ist von einem Pauschalurteil abzuraten, denn beispielsweise war es eben ein Christian Broda dem wir es zu verdanken haben, dass es heute die Gleichstellung zwischen Mann und Frau gibt oder dass Homosexualität nicht mehr strafbar ist. Doch nichtsdestotrotz muss man sich der Debatte stellen, ohne dabei aber den historischen Kontext und die Zusammenhänge gesellschafttlicher wie auch politischer Natur aus dem Auge zu verlieren. Das ist wohl das Glück und zu gleich die Unzulänglichkeit der Nachgeborenen. Denn „danach“ lässt es sich immer leichter urteilen.

(Philipp David Köstenberger)

2 Kommentare

  1. Stefan!

    20. April 2012

    Che
    …ich finde in die Reihe der kritisch zu beäugenden würde sich auch das Denkmal für Che Guevara anbieten…aber ansonsten sehr guter Artikel!

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  2. klartext

    22. April 2012

    plätze in wien
    die artikel finde ich gut.
    es tut sich was in wien – in sachen namensgebung für strassen und plätze.
    ob die geplante namensgebung am neuen wiener hauptbahnhof sehr glücklich gewählt ist stelle ich sehr in frage. "angeblich" ehemaliger spion aus und für tschechien. nachweisliche geschenkannahme – kronleuchter – na ja und jetzt bekommt er ein platz am bahnhof, richtung osten, der herr helmut zilk. dagi freut sich!!

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