11. Januar 2011

Bildungsvolksbegehren? Politikvolksbegehren!

In Kürze startet das Volksbegehren "Bildungsinitative", das endlich Reformen im Bildungsbereich einfordert. Ob sich die Politik von Volkes Begehren beeindrucken lässt bleibt abzuwarten.

Jeden freut’s, wenn er oder sie begehrt wird – wohl auch die Bildung. Und weil die Politik sie höchstens stiefelt, will nun eben das Volk begehren. Doch Volkes Stimme ist eben zumeist eine leise (trotzdem auf keinen Fall mit der „Stimme der Vernunft“ zu verwechseln!) weshalb sie sich eben Hannes Androsch als Sprachrohr leihen musste.

Und der sprach. Konkretes gibt es zwar noch wenig zu berichten, doch bis Mitte Jänner sollten der Rahmen des Bildungsvolksbegehrens stehen und die Forderungen ausgearbeitet sein. Beppo Mauhart, augenscheinlich auch ein großer Kämpfer für Volkes Bildung, sprach beim Vernetzungstreffen der Initiative unter Androschs Ägide dabei von einem möglichst breiten, jedoch nicht beliebigen Text. 

Benötigt würde wohl prinzipiell einmal gar keiner, abgesehen von dem Satz: „Tut’s endlich was.“ Also irgendwas. Die Vorschläge liegen schon lange genug am Tapet, nur ändern konnte oder wollte man bisher in der großkoalitionären Seifenoper nichts. Oder zumindest nichts Sinnvolles. So sind die Rufe nach mehr Länder- und Regionalkompetenz im Bildungsbereich wohl eher rustikalen Großmachtsphantasien geschuldet als der Sorge um die Bildung Österreichs Schülerinnen und Schüler. Angedacht wäre wohl bald die Installation von Dorfschulräten und Bürgermeistern mit Richtlinienkompetenz beim Lehrplan.

Weder neu noch Mittelschule

Die Ideen sind es also nicht die Fehlen, weder die guten noch die schlechten, sondern der wirkliche Wille zur Veränderung. Besonders gut zeigen das die jüngsten Reformvorschläge der ÖVP. So schlug Vizekanzler Josef Pröll ernsthaft vor, eine neue Mittelschule, jedoch mit den selben Bildungsstandards und Leistungsdifferenzierungen wie das Gymnasium  einzuführen und das Gymnasium unangetastet zu lassen. Ein schlauer Plan – aus der Sicht des Finanzministers, der zufällig Josef Pröll heißt, denn die größte Ausgabe an diesem Plan ist es flächendeckend das Schild Hauptschule zu entfernen und eine „Neue Mittelschule“ an Wände allerorts zu schrauben.

Neben dem politischen Willen fehlt es nämlich vor allem am Geld. Die schönste neue Mittelschule, auch wenn sie eine Gesamtschule ist, kann nichts an Bildungs- und Aufstiegschancen ändern, wenn sie ebenso erschreckend unterdotiert ist wie die derzeitigen Schulen. Ein sinnvoller, fordernder und fördernder Unterricht kostet eben Geld und ist nicht mit einem Vorbeter vor 35 Nachbetern getan. Wenn uns wissenschaftlich fragwürdige, weil mit verschiedenen Maßen, unklaren Inhalten und mit diskussionswürdigen Standards gemessene, PISA-Ergebnisse zumindest eines zeigen können, dann, dass eine Schule ein umfassender Lern- und Lebensraum ist, der mit einem umfassenden Lehr- und Sozialangebot gefüllt werden muss. Individuellere Betreuung, soziale Begleitung und notwendige Förderangebote sind dabei nur einige der unumgänglichen Prinzipien.

Ein anderes, nicht weniger schwer zu lösendes Problem, ist die prinzipielle Konfliktbeladenheit des Bildungsthemas in Österreich. Fast nirgendwo werden lieber ideologische Grabenkämpfe ausgetragen als auf den Köpfen von SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern (bzw. Studierenden und Uni-Personal). Wo einerseits der Mut zur Elite und andererseits der Wille zur Chancengleichheit aufeinander prallen, da bleibt kein Platz für sinnvolle Reformen.

Nicht mit uns!

Neben dem Zaudern der SPÖ ist es hier vor allem die Betonkopf-Mentalität der ÖVP, die für Probleme sorgt. Ob aus bürgerlichem Dünkel oder aus prinzipiellem Unwillen bei roten Ideen, das Gymnasium als alleiniger Hort der Elitenbildung darf nicht aufgegeben werden. Dabei zeigt jede Studie die sich mit Österreichs Bildungssystem beschäftigt, dass eines der Grundübel hierzulande die ungleiche Chancenverteilung ist. Wer also aus einem bildungsfernen Haushalt kommt hat es viel schwerer als andernorts jemals an einen höheren, gar universitären, Bildungsabschluss zu kommen. Dies liegt vor allem an der frühen Differenzierung derer, die mutmaßlich dazu ausersehen sind und derer die es eben nicht sind, bereits mit zehn Jahren. 

Diese Dichotomie soll nach dem Willen der ÖVP auch im neuen Vorschlag weiterhin festgeschrieben werden. Ein Geniestreich mag man sich in der Lichtenfelsgasse gedacht haben. Man verliert das Blockiererimage im Bildungsbereich und gibt trotzdem fast nichts aus den eigenen Agenden auf. Dass SchülerInnen im nicht-gymnasialen Typus (wie auch immer er in der einmal heißen könnte) nun auch das selbe wie ihre KollegInnen im Gymnasium lernen dürfen und sollen ist zwar schön, nur stellt sich die Frage warum sie dann nicht gleich dort sein dürfen. Nein, das geht halt nicht.

Obwohl alle ernst zu nehmenden Bildungsstudien belegen, dass es die Leistungen und Chancen talentierterer SchülerInnen nicht schmälert mit lernschwächeren Kindern in einer Klasse zu sein, im Umkehrfall jedoch einen positiven Effekt hat, ist es also nicht nur die schulische Herausforderung die unterscheiden soll sondern augenscheinlich auch die räumliche und soziale Segregation.


Gesamtschule? War da was?

Diese Ignoranz der ÖVP gegenüber fairer und zukunftsträchtiger Bildungspolitik soll jedoch auch die SPÖ nicht automatisch zum Einäuigen des kurzsichtigen Paares machen. Wer seit gefühlten Äonen politische Prinzipien und Vorhaben aufgibt wie Urlaubspostkarten, der muss sich auch nicht wundern, wenn er schlussendlich mit leeren Händen dasteht. Änderungen in Österreich sind nämlich von Verwaltung, über Bildung bis zum Sozialversicherungs- und Pensionssystem einige notwendig, den Mut sie anzugehen hat niemand. Vorher Reiche besteuern wollen, um schlussendlich nur Arme beschwichtigen zu können ist einfach zu wenig. Sich in der ewigen Opferrolle der Blockierte zu gerieren ebenso.

Was es also wirklich benötigt ist nicht nur ein Bildungs- sondern ein Politikvolksbegehren, denn auf einen andauernden Rot-Schwarzen Dämmerzustand kann schnell einmal ein Blauer Totalschatten folgen.

1 Kommentar

  1. Charles

    11. Januar 2011

    treffendes Kommentar
    bringt den Status Quo der österreichischen Bildungspolitik gut auf den Punkt. Bin aber optimistisch, dass die Überführung der Hauptschule in die NMS auf dauer die Einführung einer Gesammtschule vorbereitet.

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