16. Mai 2011

Berlin – Wien, schnoddrige Hauptstadt des Zwergenstaates Österreich

Oder: Woran denkt ein Berliner, wenn er an Wien und „den Wiener“ denkt?

Im Laufe eines gemütlichen Abends vor dem Fernseher in einer insgesamt fünf Personen zählenden Berliner WG inklusive allabendlichem Besuch lassen sich so einige spannende Dinge in Erfahrung bringen. Nicht etwa bloß, wo die nächste, an der Gesundheit zehrende Party stattfindet, wie grauenhaft der letzte Tatort war oder wo es das günstigste und schmackhafteste Dürüm/ Schawarma gibt.

Nein, so ein Abend kann sich auch durchaus aufschlussreich gestalten, wenn es darum geht, welche Assoziationen den Ösis und deren „Miniatur-Hauptstadt“ Wien tatsächlich anhaften und teils unter dröhnendem Gelächter angehaftet werden.

Das Wiener Kaffeehaus als Wohnungsersatz.

So ist K. beispielsweise erklärter Freund des Naschmarkts („Das ist geil dort…“), verehrt das Metalab beim Rathaus („Da sitzen ganz helle Köpfe!“), von dessen Existenz wahrscheinlich die meisten von uns noch nie gehört haben, und findet monochrom, „so eine Künstlergruppe aus dem Nerdumfeld“, ganz toll. Das Wort Paradeiser löst immer noch unkontrollierte Lachkrämpfe aus und ist genauso fest in seinem Kopf verankert geblieben, wie die Mehlspeisen, die der Wiener bevorzugt in einem der Milliarden Kaffeehäuser verspeist, in denen er außerdem den ganzen Tag verbringt, anstatt entweder auf der Unibibliothek nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu forschen oder aber auch, zur Abwechslung, in die Arbeit zu gehen.

Solch ein Besuch in einem Kaffeehaus bedeutet jedoch nicht bloß Entspannung, sondern kann sich auch als ganz schön fordernd herausstellen: „Kein Mensch weiß, wie man da nen Kaffee bestellen soll. Da kannste nicht bloß nen Kaffee bestellen, nein, da sind dann hunderttausend verschiedene Sorten und die haben irgendwelche komischen Namen und kein Schwein kennt sich aus, was denn nun was ist.“ Armer K., zum Trost muss ich aber gestehen, dass auch ich mit einer detaillierten Erklärung des Unterschieds zwischen einer Melange, einem Verlängertem oder einem Einspänner noch immer nicht hundertprozentig und zufrieden stellend angeben könnte.

Karl-Marx-Hof und Hitlers Geburtshaus – das etwas andere Touristenprogramm.

Diese Riesen-Betondinger, die anscheinend nicht weggesprengt werden können“ (die Flaktürme) sowie „der große Karl-Hof“ (der Karl-Marx-Hof) wären wahrscheinlich nicht unbedingt die ersten Sehenswürdigkeiten, deren Besuch man als Wiener einem Touristen ans Herz legen würde, bei A. und F. ist an dieser Stelle jedoch ein beeindrucktes Leuchten in den Augen zu erkennen, wenn sie von diesen architektonischen Hochburgen zu sprechen beginnen. Ein wenig klassischer wird es dann bei der Sezession, dem Hundertwasserhaus und dem „großen Spaß-Ding“, welches unter den Einheimischen den Namen Prater zu eigen hat, weicht dann wieder ein bisschen ab bei F.’s Erwähnung von Hitlers Geburtshaus, welches Braunau an Wien abgetreten zu haben scheint, oder dem Pflichtprogramm Ottakring. Auch die Arena und der TÜWI werden von F. in wohlwollender Erinnerung behalten, während J. darauf besteht, die beeindruckende Straßenbahn zu erwähnen („Da gibt’s mehr als eine, ne?“).

Die schnoddrigen Wiener Taxler.

Was, wenn an den „Zwergenstaat“ (Zitat T.) gedacht wird, unbedingt erwähnt werden muss, sind außerdem die Taxifahrer, welche ihre Fahrgäste laut K. mit einer beträchtlichen Ladung „Schnoddrigkeit“, sprich einer perfektionierten Mischung aus Unfreundlichkeit, Patzigkeit und Frechheit begrüßen und den Berliner ihre ebenso über Grenzen hinaus bekannte „Schnauze“ vergessen lassen, welche bereits nach einer nur wenige Minuten dauernden Fahrt mit einem Wiener Taxler vergleichsweise milde erscheint.

Ob jene tragische Erfahrung vielleicht aber auch nur mit der Tatsache in Zusammenhang zu bringen ist, dass K. nun mal Deutscher ist und „man als Piefke in Österreich echt schwere Karten hat“, der Wiener zwar weniger als die Einwohner der ländlichen Gebiete Österreichs, aber dennoch eher xenophobe Tendenzen hat und doch ein wenig von Vorurteilen gezeichnet ist, das steht in den Sternen. Beruhigend zu wissen ist aber, dass in Österreich und im Speziellen in Wien zwar viel über dieses und jenes gemeckert wird, das meiste aber nicht unbedingt so böse gemeint ist, wie es wirkt. Im Gegenteil, J. hat das Gefühl, dass mit dem Grantig sein sogar ein wenig kokettiert wird, „um den Ruf aufrecht zu erhalten“.

Der Wiener Schmäh macht alles wieder gut.

Und dann gibt es ja als Pendant dazu noch den „Wiener Schmeeeh“, der negative Schwingungen gekonnt wieder wett zu machen weiß, und hört man darüber hinaus dann im geliebten Ottakring im Vorbeigehen an einem Würstelstand die rhetorische Blüte „… a Eitrige und a Hüsn, owa Tschennifer!“, dann weiß der Berliner wieder, wieso er den Wiener „so putzig“ findet.

(Ich erinnerte mich übrigens richtig, als mir beim Thema Kaffeehaus eine vage Erinnerung dämmerte.)

Wienerin in Berlin (I): Die Sache mit dem Kiez.

Wienerin in Berlin (II): Warum Berlin von der Wurst regiert wird

Wienerin in Berlin (III): Sprachbarrieren oder was ist ein Zuckerl?

Wienerin in Berlin (IV): Eine Hommage an den Club

Wienerin in Berlin (V): Weihnachtsmärkte des Grauens.

Wienerin in Berlin (VI): Die sexy Berliner Mauer.

Wienerin in Berlin (VIII): Berlin, wo sind deine Alten hin?

Wienerin in Berlin (IX): Berlin – Was es braucht, um so richtig cool zu sein.

Eva Felnhofer

ist noch 1 Monat und 1 Woche in Berlin.

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