28. Juni 2011

Berlin – Chinatown in Lichtenberg

Dass es in New York ein Viertel namens Chinatown gibt, weiß man wahrscheinlich auch, ohne jemals dort gewesen zu sein. Dass sich jedoch auch in Berlin, tief im Industriegebiet im Osten der Stadt im Bezirk Lichtenberg ein Ort befindet, welchem dieselbe Bezeichnung ebenso gebühren würde, ist vermutlich den wenigsten bekannt. In Form von vier riesenhaften Lagerhallen wurde hier ein Juwel asiatischen Lebens in den Boden gestampft:

Das Dong Xuan Center

Bereits beim Betreten der ersten Halle wird klar, dass die Namensgebung „Frühlingswiese“ eher einen gut gemeinten und optimistischen Verdrängungsversuch, denn die Realität darstellt. Die beißende Mischung aus abgestandenem Fett und Polyester-Plastik-Fusionen, die einem aus dem Inneren des größten Handelscenters für asiatische Produkte in Berlin entgegen weht, gleicht nur mit blühender Phantasie einer blühenden Frühlingswiese.

Dicht aneinander gedrängt und nicht unbedingt thematisch beziehungsweise den Produkten nach getrennt, findet der Schnäppchenjäger von Welt in den durch dünne, weiße Trennwände voneinander abgeschirmten Kabinen alles, was das Herz begehrt: von trendigen Lacksandalen, Klobrillen mit nackten Frauen darauf, Verlängerungskabeln über die allseits bekannten YumYum-Nudeln, reizvolle Unterwäsche, blinkende Kunstwerke mit 3D-Effekten, Schmuck, Taschen aus – natürlich – echtem Leder bis hin zu Gartenutensilien und Leckerbissen, bei denen nicht einmal auf Nachfrage die Ingredienzen bestimmt werden können.

Führerschein gefällig?

Und als wäre dies noch nicht genug der Herrlichkeit, beherbergt das Dong Xuan Center doch tatsächlich noch etliche Frisörstudios zum Schleuderpreis, Massagesalons, in denen man sich um wenige Euro den gesamten, nach der Einkaufstour strapazierten Körper durchkneten lassen kann, in kleine Nischen gezwängte Restaurants sowie grell bemalte Nagelstudios, aus denen einem zur Abwechslung dezenter Plastikgeruch die Nebenhöhlen verätzt. Juwel des gesamten Geländes stellt meines Ermessens nach jedoch die eigene Fahrschule dar, stilecht beworben auf einem etwa drei Meter langen Anhänger.

Von den vielen Eindrücken hungrig und auch ein wenig neugierig geworden, beschließe ich, auf dem von Mercedes und BMW gesäumten Parkplatz einen Snack einzunehmen und entscheide mich für ein knödelartiges Bällchen, dessen Inhalt aus Faschiertem und etwas, das in Stückchen gehackten Fledermausflügeln gleicht, mir vorerst verborgen bleibt, nach der ersten Begutachtung jedoch trotz Hunger mit Sicherheit nicht in meinem Magen Platz nehmen darf.

Reisezeit Asien – Europa: Zehn Minuten

Nach einem letzten Blick in eine der, bis auf die Händler und einige wenige teils verwirrte und überforderte Schaulustige, teils zielstrebig laufende Einkäufer, relativ verwaisten Hallen, gehe ich die paar Meter über das Gelände zurück zur Tram, erreiche nach geschätzten zehn Minuten Fahrt wieder Europa und beschließe, bald wieder am Fahrscheinautomaten um ca. € 2,- einen Kurztrip nach Asien zu buchen.

Eva Felnhofer

ist noch länger in Berlin.

1 Kommentar

  1. kinz

    9. Juni 2011

    wohl mehr littly vietnam als chinatown
    dort sind mehr vietnamnesen als chinesen und dong xuan, heisst sicherlich nicht "frühlingswiese" auf chinesisch

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