10. August 2011

Beim ORF wurde gewählt – und keiner weiß warum

Am dam des, disse malle press, disse malle pumperness, am dam des…  Wir können nur mutmaßen, was sich die meisten der ORF-Stiftungsräte bei der gestrigen Wahl des neuen Generalintendanten für die kommenden fünf Jahre gedacht haben. Bei der Wahl selbst gab es nämlich nicht viel zu überlegen.

Der Neue ist der Alte und das war allen, nicht nur den Stiftungsräten, sondern wirklich allen Menschen in Österreich, die die vergangenen Tage nicht gerade am Grund des Bodensees verbracht haben, schon vorher vollkommen klar. Das Wahlergebnis fiel schließlich noch klarer aus als erwartet aus, mit 29 Stimmen für Wrabetz bei sechs Enthaltungen.

Show muss sein

Da es jedoch trotzdem eine ordentliche Show braucht, um zumindest den Anschein einer ernsthaften Wahl zu erwecken, lud man sogar einen Gegenkandidaten ein. Der ORF-Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz (mutmaßlich dem freiheitlichen Lager nahe stehend) durfte die Rolle Österreichs in der Qualifikation zu einer Fußball-WM spielen. Nach den zwei Stunden und vierzig Minuten (anberaumt waren zwei Stunden weniger), die Amtsinhaber Wrabetz dem Stiftungsrat Rede und Antwort stand, durfte so auch der Journalist noch für eine knappe Stunde vorstellig werden.
Was in diesen knapp vier Stunden hinter den verschlossenen Türen am Küniglberg passiert ist, wird wohl ebenso ein Mysterium bleiben. Nachdem schon vorher alles ausgeschnappst war vertrieb man sich die Zeit vielleicht mit einem anderen Kartenspiel.

Auch wenn das nicht weiter schwer ist: viel interessanter als die gestrige Wahl war die Wochen zuvor. Da ging es nämlich wirklich zur Sache. Es wurde augenscheinlich gefeilscht und gehandelt, getauscht und gepokert. Standard und Presse wissen bereits jetzt zu berichten, was sich in der näheren Zukunft postenmäßig abspielen soll: Also wieder ein Generalintendant für die SPÖ, bitteschön, dafür gibt’s einen Stellvertreter und Kaufmännischen Direktor (Richard Grasl) für die ÖVP. Landesdirektoren werden mal en gros vergeben, denn davon hat man schließlich genug. Das BZÖ wünscht sich Karin Bernhard als Chefin in Kärnten, die FPK hält mit Martin Weberhofer dagegen (aus diesem Grund gab es auch Stunk, pardon Trunk, seitens der Partei für die blauen Stiftungsräte, die sich trotz vieler Kränkungen in der Vergangenheit – zB. Skinhead-Affäre-  für Wrabetz entschieden hatten).  Auch ein bisserl Grün, ein bisserl Orange, eben so viel Blau wie sein muss, viel Schwarz und alles in einem roten Rahmen. Für etwas frischen Wind darf vielleicht die WDR-Journalistin Verena Kulenkampf als TV-Direktorin sorgen.

Was woar sei Leistung?

Dass eine solche Wahl, die eigentlich eine Beurteilung der Leistung des Chefs des größten Medienunternehmen dieses Landes – nebenbei noch mit so etwas wie einem öffentlichen Auftrag ausgestattet – sein sollte, spielt hier eine komplette Nebenrolle. Dass sich der ORF-Redakteursrat kurz vor dieser Farce noch zu Wort meldete und sowohl die Festlegung auf nur einen (realistischen) Kandidaten, sowie das Zustandekommen der Entscheidungsmehrheit für diesen durch politische Interventionen scharf kritisierten, zeigt, dass die Qualität einer unabhängigen öffentlichen Berichterstattung zumindest für diese noch im Vordergrund steht.

Trotzdem wird auch im ORF, der in seiner Funktion unabhängig und neutral sein sollte, wie auch in vielen anderen wirtschaftlichen und öffentlichen Bereichen in Österreich weiterhin eine hemmungslose Kultur des politischen Zugriffs gepflegt. Versuche der Einflussnahme auf Personalentscheidungen und sogar Inhalte werden so leider allzugern unternommen.

Die Politisierung der Entscheidung ist leider schon in der Natur dieses Stiftungsrates angelegt. Fast keines der 35 Mitglieder lässt sich nicht zweifelsfrei einer parteipolitischen Gruppierung (in diesem Zusammenhang recht euphemistisch Freundeskreis genannt) zuordnen. 15 sind es auf Seiten der SPÖ, zwölf für die ÖVP, FPÖ/FPK besitzen zwei Stimmen, BZÖ und Grüne eine und nur vier Mitglieder lassen so etwas wie Unabhängigkeit vermuten.
Als wäre das übliche politische Ränkespiel nicht schon genug, gab diesmal der Ober-Freund der sozialdemokratischen Freunde, Niko Pelinka, den großen Strippenzieher im Hintergrund, womit er dem favorisierten Wrabetz die Wahl sichern wollte. Bei allem taktischen Kalkül passierte ihm zum Schluss jedoch noch ein ordentlicher Fauxpas. In einem Interview mit dem Magazin Fleisch soll er angeblich frei von der Leber weg über regelmäßige Telefonate mit Wrabetz geplaudert haben und darüber, dass er diesem schon auch mal bei der Auswahl der Gäste für die Sendung Im Zentrum unter die Arme greift. Ein Dementi von beiden Seiten der Telefonleitung folgte auf den Fuß.

Fakten zur bisherigen Ära Wrabetz

Nachdem sie bei der Wahl augenscheinlich nicht so wichtig waren sollen hier nun endlich auch einmal die Fakten zur Amtszeit von Alexander Wrabetz aufgezeigt werden. Unter ihm rutschte der ORF zwischen 2007 und 2010 von 43,1 auf 37,8 Prozent Marktanteil. Eine Aufwärtstendenz lässt sich jedoch im ersten Halbjahr 2011 erkennen, wo man sich auf 38,2 Prozent steigerte.

Mit einem Gesamtanteil von 41,2 Prozent am österreichischen Rundfunkmarkt nimmt man unter den Öffentlich-Rechtlichen in Europa hinter Belgien den zweiten Rang ein (Europa-Schnitt 29 Prozent). Zu erwähnen bleibt dabei natürlich auch, dass Österreich erst als eines der letzten Länder in Europa Privatfernsehen überhaupt zuließ. Die Zufriedenheit der Bürger mit den ORF-Inhalten kann sich laut einer OGM-Umfrage für den Kurier durchaus sehen lassen. 61 Prozent zeigen sich mit dem Informationsprogramm zufrieden, 51 mit dem Sport- und 37 Prozent mit dem Kulturangebot. Nur bei der Unterhaltung stellen die Konsumenten zu 65 Prozent ein negatives Zeugnis aus.

Programmmäßig hat sich einiges getan in der Periode Wrabetz I. Die angekündigte größte Programmreform aller Zeiten war vielleicht nicht unbedingt der größte Wurf seit Erfindung der Einwegzahnbürste, aber zumindest wurden einige neue Formate ins Programm gehievt, von denen sich manche auch bewährten. Unter Erfolge sind zweifellos die Wiedereinführung des Club 2, die Entwicklung von Willkommen Österreich oder "Wir sind Kaiser" zu verbuchen. An Qualität und Quantität gewonnen wurde auch in den Bereichen Information und Kultur, der Dienstagnacht ist durchaus Potential zuzubilligen. Zu Recht wieder verschwunden sind Mitten im Achten oder Extrazimmer und vielleicht müssen wir ja auch bald keine Chilis mehr schlucken.

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