21. Oktober 2011

Ausverkauf eines Wiener Kulturguts?

Baubeginn im Otto-Wagner Spital

Es mag sich wie eine Schlagzeile in der Kronenzeitung lesen, aber schließlich ist das Otto-Wagner Spital nicht nur ein Architekturjuwel, sondern grenzt an eines der schönsten und weitläufigsten Wiener Naherholungsgebiete – die Steinhofgründe. Der Park im Spitalsareal ist einzigartig, da er sich in Mitten der Jugendstilarchitektur befindet. Jugendstilpavillons dieser Art gibt es nur im Otto-Wagner Spital, daher gehen die Wogen hoch, wenn es um die aktuellen Bauvorhaben geht.

Stadtbekannt hat über den Streitfall mit Vertretern der Stadtregierung und der Bürgerinitiative schon im Sommer gesprochen und sich auf die Spurensuche nach der etwas verworrenen Sachlage begeben, wobei wir leider keine Stellungnahme der ausführenden Architekten oder Bauträgern bekamen. Zumindest die GESIBA legte ihre Position, im ORF Beitrag über die geplanten Bauprojekte am Steinhof, offen. Das und die weiteren Aktionen der Bürgerinitiative nehmen wir zum Anlass über die Kontroverse rund um die Planungsvorhaben zu berichten.   

Geschichte

Das ehemalige Spital am Steinhof durchlief eine lange und bewegte Geschichte. Als es Kaiser Franz Josef 1905 erbauen lies, war es eines der modernsten Spitäler Europas. Es gilt noch heute als eines der herausragendsten öffentlichen Bauten aus der Zeit des Jugendstils. Der Bau wurde damals vom Jugendstil Architekten Otto Wagner entworfen. Während der NS-Zeit kam der Spiegelgrund zu trauriger Prominenz, da in jener Zeit an hunderten Kindern und Jugendlichen Euthanasie ausgeübt wurde. Das Lichtermeer gegenüber des Theaters im Otto Wagner Spitals gedenkt den Opfern.  

Gründe für die geplanten Bauprojekte

Der Gründe für die Suche nach neuen Nutzungen für das Otto Wagner Spital gibt es viele. Einer davon ist, dass seine momentane Nutzung als Spital, aufgrund des demografischen Wandels der Wiener Bevölkerung in den nächsten 20ig Jahren, nicht mehr in diesem Bereich der Stadt in diesem Ausmaß benötigt wird. Daher wurde nach neuen Nutzungen gesucht und als Lösung der Verkauf an private und öffentliche Bauträger, von Teilen des Areals gesehen. Die Frage die sich nun schon seit längerem aufdrängt ist, ob dies der richtige Lösungsansatz war.

Der Stein des Anstoßes – Baubeginn am Steinhof

Im Juli starteten die Arbeiten am Rehab-Zentrum für Orthopädie der Vamed, einer privaten Investorgruppe, welche ohne öffentliche Präsentation und Bürgerbeteiligung mit dem Bau der privaten Klinik, mit 160 Betten und einer Wohlfühloase mit Hallenbad, begonnen hat. Was natürlich den Unmut der Anrainer erregt hat, da diese ein Mitspracherecht bei den geplanten Projekten haben möchten. Die Bagger fuhren vor, der Baugrund wird gerade ausgehoben und das Baubewilligungsverfahren ist mittlerweile abgeschossen. Die Vorgehensweise der Vamed hat die Gemüter der verärgerten BürgerInnen nicht nur erhitzt, sondern auch dazu geführt, dass man sich bei der Bürgerinitiative Steinhof für einen Baustop und einen offenen Diskurs einsetzte. Mittlerweile fokussieren sich die Bemühungen der BürgerInnen auf den geplanten Bau der GESIBA am selben Areal.

Lösungsansätze der Bauträger – Bürgerinformation statt Bürgerbeteiligung

Mit 2012 wird mit den Bauarbeiten für die geplanten Wohnbauten der GESIBA, welche in der ersten Bauphase 650 Wohnungen umfasst, begonnen. Obwohl es schon einen Masterplan gibt und der städtebauliche Entwurf schon abgeschlossen ist, möchte man die aufgebrachten Bürger am Planungsprozess „beteiligen“, denn Bürgerbeteiligung wird in Wien ja ganz groß geschrieben. Aus der Sicht der GESIBA ist mit Beteiligung Informieren gemeint, wie die Begehung der BürgerInnen gemeinsam mit den Bauträgern GESIBA und der privaten Investorengruppe VARMED, sowie den Bezirkspolitikern, am 21.9. gezeigt hat.  Natürlich drängt sich die Frage auf, ob es möglich ist, kurz vor Beginn der Realisierung des Bauvorhabens noch von Bürgerbeteiligung zu sprechen.  Die kritischen Bürger die Bei der Begehung mit den Bauträgern zugegen waren, fühlten sich übervorteilt und wollten nicht mit Werbebroschüren informiert werden, respektive vor vollendete Tatsachen gestellt werden, sondern ein Mitspracherecht beim Planungsprozess. Der Interessenskonflikt trat bei der Bürgerversammlung, welche eine Woche später stattfand noch deutlicher zutage. Es wurde massive Kritik an dem Entwurf des Architekturbüro Wimmer geäußert, womit die BürgerInnen nicht allein stehen, auch der Architekturtheoretiker Christian Kühn meinte im ORF Beitrag im Kulturmontag vom 17.10., dass es sich bei dem geplanten Bauer der VARMED um eine "Absurdität handle, die nicht annähernd an die städtebauliche Qualität der Bauten von Otto Wagner heran reiche".

Der Flächenwidmungsplan

Über die planungsrechtlichen Grundlagen haben wir bei der Planauskunft der Stadt Wien informiert. Laut dieser liegt der neue Flächenwidmungsplan für das Areal des Otto-Wagner Spitals  schon seit drei Jahren vor, wie auch auf der Seite der Stadtplanung ersichtlich ist. Der neue Entwurf für den Wohnbau sieht eine lockerere Bebauung vor, als ursprünglich angedacht. Dem Flächenwidmungsplan ist außerdem zu entnehmen, dass die neu geplanten Wohnbauten im Ostteil des Spitals maximal 9 Meter hoch sein dürfen.

Der Masterplan und die Entwurfspläne vom Architekturbüro Wimmer für die geplanten Wohnbauten der GESIBA, ebenso wie ein Verkehrskonzept, existiert seit einem Jahr. Laut dem Büro der Vizebürgermeisterin Vassilakou wurde mit der Detailplanung aber noch nicht begonnen, aus diesem Grund macht ein Bürgerbeteiligungsverfahren auch noch Sinn, denn es gibt noch Handlungsspielräume – wie groß diese sind, ist allerdings eine andere Frage.

Die Perspektive der Grünen

Im Büro der Vizebürgermeisterin wird in Hinblick auf die aktuelle Situation durchaus Handlungsbedarf gesehen, deshalb soll es auch bald ein Bürgerbeteiligungsverfahren geben, meint der Raumplaner Georg Irsa (Fachreferent für Stadtplanung im Grünen Rathausklub) im Gespräch. Im Zuge dessen soll zum Einen eine Bürgerinformation stattfinden, in der das geplante Bauvorhaben vorgestellt wird. Es soll aber auch noch die Perspektive der AnrainerInnen so weit als möglich mit einbezogen werden, denn gerade in Hinblick auf die Frage der Infrastruktur, wie jene der öffentlichen Verkehrsanbindung, die Ausstattung mit Schulen und Kindergärten, muss von Seiten der Stadt Wien mit dem Bauträger GESIBA noch verhandelt werden. Für den Raumplaner ist auch klar, dass die BürgerInnen ein Mitspracherecht im Prozess wollen. Das Problem ist nur, dass der Flächenwidmungsplan schon seit zwei Jahren beschlossen ist. Wobei das Baubewilligungsverfahren noch in Gang ist. Die grüne Planungsstadträtin Vassilakou meinte im ORF Gespräch, dass die Grünen, wie schon zu Beginn der Debatte, gegen die geplanten Bauvorhaben sei. Als einzige Möglichkeit um die Realisierung der Bauten zu verhindern sehe sie nur einen Rückkauf des Grundstücks durch die Stadt Wien.

Fehlende Infrastruktur

Wie schon seit Jahren bekannt – gibt es, unabhängig davon wie man dem Bauprojekt gegenüber steht, eine Reihe von infrastrukturellen Problemen, die sich durch diesen Wohnbau ergeben. Für die angelachten 650 Wohneinheiten gibt es keine adäquate öffentliche Verkehrsanbindung, da sich der 48A 15 Minuten entfernt von der Anlage befindet. Ein weitaus größeres Problem ergibt sich auch dadurch, dass noch ein weiterer Teilabschnitt wahrscheinlich verbaut wird. Durch den Zuzug neuer BewohnerInnen wird sich ein erhöhter Bedarf an lokaler Ökonomie und öffentlichen Bildungseinrichtungen ergeben. Diese können durch den Bestand nicht abgedeckt werden, es stellt sich also die Frage, ob dies im Planungsprozess berücksichtigt wurde.

Bürgerinitiative Steinhof

Die Bürgerinitiative Steinhof hat sich erst vor 6 Monaten in Anbetracht der geplanten Wohnbauten neu gegründet. Einer der Intitatioren Alexander Veit erzählte, „Obwohl wir am Anfang nur eine kleine Gruppe von Leuten waren“ sind es in der Zwischenzeit immer hin über 30 Personen, die sich am Protest beteiligen, bei der ersten großen Bürgerversammlung am 28.9. waren gar über 800 BürgerInnen anwesend. Es wurde innerhalb von kurzer Zeit so viel Druck auf die Bezirkspolitik gemacht, dass nun im Gemeinderat beschlossen wurde, eine Bürgerversammlung Ende September einzuberufen.  Bürgerproteste haben im Zusammenhang mit den Steinhofgründen aber eine lange Tradition, so erzählt Alexander Veit, dass es schon vor 30ig Jahren die Initiative „Zur Rettung der Steinhofgründe“ gab, welche damals eine Volksabstimmung mit 80 000 Stimmen durchsetzte und dazu führte, dass die Steinhofgründe ein Erholungsgebiet blieben. Bei den Bürgerprotesten vor 30ig Jahren und heute dabei war und ist u.a. Christine Muchsel. Nachvollziehbar sei auch, dass nach einer neuen Nutzung für Teile des Spitalsareals gesucht werden, nur der Ausverkauf an private Bauträger dieses Kulturguts löst Unverständnis aus. Man möchte in einem breiten Diskurs eine Perspektive für zukünftige Nutzungen entwickeln, die gemeinsam von  BürgerInnen, Planung und Politik geführt werden soll werden soll. Ab 2. November findet einmal im Monat am Mittwoch eine Jour fix statt, nähere Informationen dazu findet ihr hier.

Fazit

Für jemanden, der die Diskussion um mögliche neue Nutzungen im Gebiet des Otto Wagner Spitals nun schon seit längerer Zeit verfolgt, stellt sich die Frage, warum nicht schon zu einem viel früheren Zeitpunkt die Meinung der BürgerInnen miteinbezogen wurde und eine offene Diskussion darüber stattgefunden hat, welcher öffentlichen Nachnutzung man dem Otto Wagner Spital zuführen könnte. Das Areal würde sich sowohl als Universitätsstandort oder für andere öffentliche Einrichtungen eignen. Es gäbe auch genug Raum für beispielsweise Ateliers und Arbeitsstätten für KünstlerInnen. Man vermisst in diesem Entscheidungsfindungsprozess jedenfalls die Bereitschaft, die Meinung der BürgerInnen mit einzubeziehen oder ein gelungenes Masterkonzept beispielsweise seitens der Stadtplanung.

Informationen:

Der Link zum ORF Beitrag vom 17.Oktober über die Bauprojekte am Steinhof.
Die homepage der Bürgerinitiative Steinhof erhalten und der Aktion 21.

signatur_cornelia.jpg Cornelia Dlabaja

Verloren in der Stadt: Auf Entdeckungsreise im Asphaltdschungel

2 Kommentare

  1. siri

    19. Oktober 2011

    bitte..
    … eindeutschen..

    "Daher wurde nach neuen Möglichkeiten zur Nutzung gesucht und er davon ist, dass seine momentane Nutzung als Spital – aufgrund des demografischen Wandels der Wiener Bevölkerung in den nächsten 20ig Jahren – nicht als Lösung der Verkauf an private und öffentliche Bauträger angedacht."

    Reply
  2. stadtbekannt

    21. Oktober 2011

    @ siri
    Da hat sich leider ein Fehler bei der Eingabe eingeschlichen, den wir aber wieder behoben haben. Vielen Dank für den Hinweis.

    Reply

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