15. Februar 2012

ACTA Proteste in Wien

Wo hört der Schutz von geistigem Eigentum auf und wo fängt die Überwachung an? Ein Lokalaugenschein bei der Wiener ACTA Demo. Stadtbekannt geht der Debatte rund um ACTA nach.

Dieser Tage gehen die Wogen hoch, wenn es um das Thema Datenschutz, geistiges Eigentum und Freiheit im World Wide Web geht, der Grund dafür sind vier Buchstaben: ACTA. Die Abkürzung steht für Anti-Counterfeiting Trade Agreement. Wer sich am Samstag um die Mittagszeit auf den Stephansplatz (bei minus 8 Grad) begeben hat, werden vielleicht die Menschenmassen aufgefallen sein, die mit Guy Fawkes Masken und Schildern mit der Aufschrift „Stoppt ACTA“ in kleineren Grüppchen zusammen gestanden haben.

Fragt man nach dem Grund ihrer Zusammenkunft, bekommt man verschiedene Antworten. Ein Teil der DemonstrantInnen lehnt das geplante EU – weite Abkommen ACTA prinzipiell ab, andere TeilnehmerInnen kritisieren die Form der Durchsetzung und die Inhalte des Abkommens. Mit dieser Kritik stehen die Demonstranten nicht alleine.

Über ACTA

ACTA ist als multilaterales Handelsabkommen konzipiert, ähnlich wie das kontrovers diskutierte SOPA (Stop Online Piracy Act) in den USA, zum Schutz des geistigen Eigentums, im Kontext von Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen. Initiiert wurde ACTA um die Verluste der Musik- und Filmindustrie der letzten Jahre zu minimieren. Es baut auf dem so genannten TRIPS-Abkommen ( Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des Geistigen Eigentums) auf. An der Realisierung des Abkommens sollen sich u.a. die EU, die Schweiz, USA, Kanada, Australien, Japan und China beteiligen. Nähere Details findet ihr hier.



Geplante Maßnahmen und Proteste

Eine der geplanten Maßnahmen zur Durchsetzung des Abkommens ist die Überwachung des Datenverkehrs privater Internet-User durch die Internetanbieter, um Vergehen gegen das Urheberrecht fahnden zu können. Spätestens an dieser Stelle schreien Datenschutzrechtler, Gruppierungen wie Anonymous und in den letzten Wochen und Monaten auch vermehrt der normale User auf. Der Protest äußerte sich bislang in vielen Ländern u.a. durch großangelegte Demonstrationen. In Polen kam es zu Massenprotesten, die dazu führten, dass der Ratifizierungsprozess seitens der Regierung gestoppt wurde. Die Proteste wurden als „größten Bürgerbewegung seit der Gründung der Gewerkschaft Solidarno?? 1980“ bezeichnet.
In Deutschland wurden die Proteste großteils von der Piratenpartei organisiert. Während die ACTA-Proteste in Österreich nicht zentral organisiert werden, sondern es sich hier um ein breites und heterogenes Feld handelt.

Kritikpunkte

Eine der zentralen Kritikpunkte ist, dass das die Ausarbeitung des Abkommens bislang unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand und somit unklar ist was darin steht. Damit verknüpft ist die Angst, dass die Durchsetzung von ACTA gleichbedeutend mit dem Ende des freien Internets sein könnte. Wenn nämlich eine Datentransferüberwachung privater User unter dem Deckmantel des Schutzes von geistigem Eigentum stattfindet, ist der Datenschutz passe. Diese Sorge des Verlusts der Meinungs- und Informationsfreiheit wird auch von den Demonstranten am Stephansplatz formuliert und dass es unter dem Deckmantel des Markenrechts zur Filterung von Inhalten im Netz kommen könnte. Neben der inhaltlichen Kritik, wird auch die Vorgehensweise, dass der Vertrag in nicht-öffentlichen Gremien von Lobbyverbänden verhandelt wurde, seitens des PPÖ-Themensprechers Jonas Reindl in Frage gestellt. Das Abkommen sei auch so schwammig formuliert, dass die Ausgewogenheit zwischen Datenschutz und individueller Grundrechte nicht gewährleistet sei, so die Kritik der österreichischen Piratenpartei und Seitens vieler anderer Kritiker.

Demonstrationen auch in Österreich

Österreich hat, wie 22 andere Länder der EU, schon am 24.1.2012 das ACTA Abkommen ratifiziert, ohne einen breiten Diskurs mit der Bevölkerung zu führen. Nach den Protesten am Samstag distanzieren sich nun – kaum verwunderlich – Vertreter der Regierungsparteien vom Abkommen, wie zuvor schon die Oppositionsparteien. Seitens des Außenministers Michael Spindelegger heißt es nun, dass vor dem Hintergrund der Bedenken eine genaue Prüfung des Abkommens durch die Bundesregierung vorgesehen sei. An der Demonstration in Wien nahmen am Samstag nach polizeilichen Angaben und jenen der Veranstalter, trotz klirrender Kälte, zwischen 3.000 und 4.500 Menschen teil. Proteste fanden an diesem Tag EU – weit und in Österreich nicht nur in Wien, sondern auch in Linz, Graz, Innsbruck, Salzburg, Klagenfurt, Leoben und Bregenz statt. Die Vielzahl der Guy Fawkes Masken – Träger bei der Demo am Samstag am Wiener Stephansplatz erklärt sich zum einen daher, dass sowohl die Aktivisten-Gruppe Anonymous, die Grünen und die Piratenpartei zur Demonstration aufriefen.

Anti-ACTA Initiativen in Österreich

Wer sich aktiv an den Protesten beteiligen möchte, findet u.a. auf der Seite der Piratenpartei Österreich und Stopp ACTA die von der Initiative für Netzfreiheit betrieben wird, aktuelle Informationen. Wer ein Zeichen setzen möchte, kann dies beispielsweise mit der Unterzeichnung der Online- Petition gegen ACTA, welche bislang von 2 Millionen Menschen unterzeichnet wurde, tun. Der unabhängige österreichische EU-Abgeordnete Ehrenhauser meinte bei der Demonstration in Wien am Samstag dazu: „Eine Mehrheit gegen ACTA ist möglich“ auch auf EU-Ebene „Darum ist es wichtig, dass die  Demonstrationen jetzt stattfinden.“

Die nächste geplante Demonstration findet voraussichtlich in Wien am Samstag dem 25.2.2012 statt, mehr Informationen findet ihr auf dem facebook Event.

Reaktionen auf die Proteste

Reaktionen auf die Proteste seitens der EU waren bislang eher zurückhaltend. Das Prozedere bei der Vertragsentwicklung wird dabei nicht hinterfragt, man spricht von mangelnder Informationspolitik. Die fünf Länder, die das Abkommen bislang nicht unterzeichnet haben zögern allerdings nun mit ihrer Unterschrift, wenn auch aus formalen Gründen. Allerdings muss die EU-Kommission auch das EU-Parlament von dem Abkommen überzeugen, da es von diesem beschlossen werden muss. Der Präsident des europäischen Parlaments Martin Schulz meinte im Interview mit der ARD am Sonntag dazu: „Das notwendige Verhältnis von beidem – Schutz des Urheberrechts einerseits, individuelle Grundrechte der Nutzer andererseits – ist in diesem Abkommen nur sehr unzureichend verankert".

Ausblick

Offen bleibt nun ob die zivilgesellschaftlichen Bewegungen die sich gegen ACTA stark machen sich auch auf internationaler Ebene mit ihrem Anliegen durchsetzten können. Der Erfolg der Proteste hängt sicherlich davon ab wie sich das europäische Parlament zu der Agenda verhält. Die aktuelle Debatte kann auch als Indiz der Wiedererstarkung von sozialen Bewegungen gelesen werden und die größer werdende Erkenntnis einiger Konsumenten, dass wenn sie nicht für den Schutz ihrer persönlichen Daten einsetzten, es wohl sonst niemand tun wird. Bedenkt man wie viele Daten bislang ohne großen Wiederstand vom einzelnen Bürger in den unterschiedlichsten Bereichen gesammelt wurden, ist es erstaunlich dass nun ein Aufruhr folgt.

Cornelia Dlabaja

Anti-ACTA Demo Wien vor dem Parlament
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